Einladung ins Apfel-Paradies
Wie sächsische Streuobstwiesen wieder lohnend bewirtschaftet werden
Wer seine Äpfel nur im Supermarkt kauft, glaubt es oft gar nicht: Bundesweit wachsen rund 1000 verschiedene Sorten. Manche sind schon sehr alt, manche auch nur regional bekannt. Doch allen gemeinsam ist: Sie gedeihen fast nur noch auf Streuobstwiesen. Jene extensiv genutzten Flächen voll knorriger Bäume galten indes lange als Auslaufmodell. In Deutschland West wurden sie schon 1953 per Regierungsbeschluss für tot, weil unrentabel erklärt. In Deutschland Ost wandelte man sie ab den 1960er Jahren teils in Plantagen um; nur kleine private Flächen blieben erhalten. Auch die EU zahlte ab 1974 Prämien für jeden gerodeten Streuobstbaum, um zugleich niederstämmige Plantagen zu protegieren.
Kaum die Hälfte gepflegt
Die Renaissance dieser Wiesen, wie sie vielerorts wieder erlebbar wird, hat denn nicht zuerst wirtschaftliche Gründe. Treibende Kraft sind aufgeklärte Zeitgenossen, die diese Refugien zugleich als Lebensraum für eine vielfältige Natur erhalten wollen. Denn ihre Nicht(be)achtung zeitigte auch eine erfreuliche Nebenfolge: Niemand verspritzte hier mehr Pflanzenschutzmittel, streute synthetischen Dünger.
Und so sehr die Streuobstfläche schrumpfte, sie ist immer noch groß - zu groß für die Handvoll grüner Enthusiasten. Allein in der Dresdner Gemarkung, eingemeindete Dörfer eingerechnet, summiert sie sich auf 400 Hektar. »Doch nicht einmal die Hälfte davon wird gepflegt«, bedauert Andreas Wegener. Den Gärtner und Biologen betrübt das doppelt - als Aktivist der Grünen Liga Dresden wie als Unternehmer, der stets im Herbst mit einer mobilen Saftpresse über die Höhen rings um die Landeshauptstadt zieht.
Rund 15 Hektar Streuobstwiesen betreut Wegener mit seinem Partner Uwe Riedel, einem Holzgestalter. Für deren Pflege setzen sie auch auf uneigennützige Helfer. Für die Vermarktung der garantiert rückstandfreien Früchte gründeten sie ihre Apfel-Paradies GbR in Quohren. Die mobile Presse spielt dabei eine tragende Rolle. Denn sie eröffnet kleinen Obstbaumnutzern eine besondere Chance: Sie geben ihre Äpfel selbst in die Presse, betätigen selbst Knöpfe und Hebel und tragen danach tatsächlich ihren lupenrein eigenen Most nach Hause. Exklusiver geht es nicht.
Doch für die nachhaltige Betreuung aller Streuobstwiesen in seinem Beritt reiche das leider bei weitem nicht, sagt Wegener. Drum praktiziert er noch eine zusätzliche Alternative, wie sich mehr helfende Hände um die fruchtbaren Areale kümmern könnten: Statt der üblichen fünf bis sieben Euro je Doppelzentner, für die konventionelle Keltereien das Obst meist aufkaufen, zahlen Wegener und Riedel das Drei- bis Vierfache: »2012 waren es 15 Euro, nun gehen wir auf 20 Euro hoch.« Denn für fünf Euro »beugt sich doch niemand mehr ins Gras...«
Aufschlag auf Endpreise
Vordergründig geht es ihnen hierbei aber um besagte Obstwiesen, von denen so bereits weitere 15 Hektar in Pflege kamen. Jahr für Jahr gewann man ein, zwei neue Lieferanten. »Doch es könnten eben noch viel mehr sein«, so Wegener. Ihrerseits schlagen sie übrigens jene Mehrkosten dann auf die Endpreise drauf. Und der Absatz sei da, sogar noch kräftig steigerbar, versichert er.
Vor allem an zwei Gruppen ist das Angebot adressiert: Nebenerwerbliche Landwirte, die ihre Streuobstwiesen brach liegen lassen, weil der Aufwand nicht lohnt, sowie Pächter in spe. Denn viele jener Flächen gehören halt älteren Leuten, die sie nicht mehr pflegen können. So möchte er diese mit Leuten zusammenzubringen, die die Flächen gern betreuen würden, sofern es halbwegs lohnt. Wegener hat hierfür bereits Musterverträge vorbereitet.
Wer dem Apfel-Paradies sein Streuobst liefert, muss es freilich biologisch erwirtschaftet haben. Hierzu gehören etwa jeglicher Verzicht auf synthetische Pestizide oder Düngemittel sowie ein biotop-dienlicher Wiesenschnitt nicht vor Mitte Juni. Im Gegenzug gibt es kostenlos Tipps zu Pflege und Bearbeitung. Zudem lässt Wegener die Flächen auf seine Kosten mit den nötigen Biosiegeln zertifizieren.
Im Osten ist die Apfel-Paradies GbR mit ihrem Modell noch weitgehend Vorreiter, während in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen jährlich schon gut sieben Millionen Liter Saft auf diese Weise gekeltert werden. Doch Wegener weiß auch: Interessiert daran sind letztlich nur Zeitgenossen, die über den Zusatzverdienst hinaus selbst »öko« ticken.
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