Energiepolitik
Erneuerbar, Beimischungsquote, Ausstieg? Die Positionen der Bundestagsparteien / Teil XIII der nd-Serie
Die machen doch sowieso alle das Gleiche, lautet eine verbreitete Meinung über Parteien. Nur ein Viertel der Wahlberechtigten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, können zwischen SPD und Union überhaupt einen Unterschied erkennen. Und: Wer liest schon die seitenlangen Wahlprogramme? Cornelia Hildebrandt und Jochen Weichold haben sich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Forderungen der im Bundestag vertretenen Parteien angeschaut. Was Rot von Gelb und Grün von Schwarz unterscheidet, lesen Sie hier in täglich in einer nd-Serie.
Alle Parteien versprechen in ihren Programmen, sich für erneuerbare Energien, für Strategien zur Reduzierung des Energieverbrauchs und vor allem für eine bezahlbare Energiewende einzusetzen. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die zeitlichen Dimensionen, auf die Gewichtung der einzelnen Energiequellen, auf die Verknüpfung der Energieproblematik mit wirtschaftlichen und/oder sozialen Fragen und auf den Stellenwert öffentlicher Regulierungen des Energiesektors.
CDU/CSU und FDP versprechen, weiter für bezahlbare Energiekosten für Verbraucher und insbesondere für die Industrie zu sorgen, damit sie wettbewerbsfähig bleibt. CDU und CSU wollen mit einer »heimischen und vor Ort organisierten« umweltfreundlichen, sicheren und preisgünstigen Energieversorgung Arbeitsplätze und Wertschöpfung im eigenen Land sichern und setzen auf die Vielfalt von Wind-, Sonnen- und Bioenergie, Wasserkraft und Erdwärme. Sie setzen auf international aufgestellte Energieversorger, Stadtwerke und private Energieerzeuger, auf eine engere Abstimmung in der EU und einen weiteren Ausbau des europäischen Stromverbundes. Die FDP will die Energiewende wirtschaftlich sinnvoll gestalten. Statt für einen ordnungspolitischen Ansatz plädiert sie dabei ausdrücklich für einen »marktwirtschaftlichen Ansatz« und für »ein Maximum an marktwirtschaftlichen Lösungen«.
Die SPD möchte durch eine echte Energiewende den Produktions- und Industriestandort Deutschland sichern und stärken. Sie will die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie erhalten und die Energieproduktivität bis 2020 gegenüber dem Stand von 1990 verdoppeln. DIE GRÜNEN möchten die Energieversorgung der Zukunft dezentraler und bürgernäher gestalten und deshalb kommunale Klima- und Energiekonzepte aktiv unterstützen. Sie streben den Einstieg des Bundes in eine zu gründende Deutsche Netzgesellschaft an – mehrheitlich in öffentlicher Hand mit Gewinn-Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger. DIE LINKE will den sozial-ökologischen Umbau mit einem öffentlichen Investitionsprogramm befördern. Strom- und Wärmenetze würden in öffentliche Hand oder in die Hand unter demokratischen Gesichtspunkten geführter Unternehmen gehören. Hierzu sollen Stadtwerke und genossenschaftliche Versorger gestärkt werden.
Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien halten am Ausstieg aus der Kernkraft fest, beziehen aber unterschiedliche Positionen zur Nutzung fossiler Energieträger. Die CDU/CSU verspricht, sich dafür einzusetzen, dass für alle Kernkraftwerke (KKW) in der EU rechtlich bindende Vorgaben auf der Basis deutscher Stresstests eingeführt werden. Sie will für die »heimische Braunkohle« den Bau neuer, effizienter Kraftwerke beschleunigen und für Investoren stabile und verlässliche Bedingungen schaffen. Die FDP möchte die stillgelegten KKW möglichst zügig zurückbauen, jedoch die Kernforschung und eine entsprechende Hochschulausbildung in Deutschland erhalten. Die SPD hält Kohle- und Gaskraftwerke (im Sinne von Brückentechnologien) nach wie vor für erforderlich. DIE GRÜNEN sagen klar, dass die Energieversorgung der Zukunft weder auf Atom, noch auf Kohle und Öl aufbauen dürfe. DIE LINKE verlangt für den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung ein Kohleausstiegsgesetz mit schrittweisen Abschaltungen bis 2040. Neue Kohlekraftwerke oder Tagebaue dürften nicht mehr genehmigt werden.
Hinsichtlich der Suche nach einem Atom-Endlager verweisen CDU und CSU auf das Standortauswahlgesetz und die Einsetzung einer Kommission aus Vertretern von Bund, Ländern sowie der Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen, die bis 2015 objektive Kriterien für einen Endlagerstandort festlegen sollen. Die FDP will eine ergebnisoffene Suche. SPD, GRÜNE und LINKE setzen auf eine breite gesellschaftliche Beteiligung auf der Grundlage transparenter wissenschaftlicher Kriterien. GRÜNE und LINKE lehnen Gorleben als Endlager ab, DIE LINKEN darüber hinaus auch den Schwarzbau von Endlagern sowie den Betrieb des geplanten Endlagers Schacht Konrad. CDU und CSU bekennen sich zur Verantwortung für die Rückholung des eingelagerten Atommülls im Schacht Asse II und wollen den Asse-Fonds mit Mitteln für einen Nachteilsausgleich für die Region ausstatten. Die SPD will die Sanierung von untauglichen Endlagern wie Asse II durch eine höhere Kernbrennstoffsteuer mitfinanzieren. DIE GRÜNEN fordern die komplette Finanzierung der Endlagersuche von den Verursachern des Atommülls und wollen Atommüllexporte verbieten.
Hinsichtlich Erneuerbarer Energien in Verbindung mit Energieeffizienz und Energieeinsparung verfolgen die Bundestagsparteien unterschiedliche Zielmarken und setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte. Die CDU/CSU will bis zum Jahr 2020 den Energieverbrauch um 20 Prozent und den Stromverbrauch um mindestens zehn Prozent in Gebäuden vermindern. CDU/CSU und FDP streben den Ausbau von bedarfsorientierten »denkenden Netzen« und den Ausbau des europäischen Netzverbundes an. Die FDP fordert einen garantierten Mindestanteil an erneuerbaren Energien für den EU-Binnenmarkt. Die SPD steuert einen Stromanteil von 40 bis 45 Prozent aus Erneuerbaren Energien und von 25 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplung bis zum Jahr 2020 an und will bis 2030 75 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewinnen. DIE GRÜNEN wollen bis 2022 bereits 50 Prozent und bis 2030 100 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien produzieren. Im Gebäude- und Wärmebereich soll die Umstellung bis 2040 erfolgen. DIE LINKE möchte in einem ersten Schritt bis 2020 die Stromversorgung zu 50 Prozent und die Wärmeversorgung zu 20 Prozent aus Erneuerbaren Energien sicherstellen. Sie verlangt langfristig einen Masterplan für Deutschland, nach dem die Strom- und Wärmeversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien erfolgen soll.
Während DIE GRÜNEN und DIE LINKE wegen der unabsehbaren Gefahren für Gesundheit und Umwelt eine Gewinnung von Gas durch Fracking ablehnen, wollen CDU/CSU und FDP diese Methode unter der Bedingung zulassen, dass Gefahren für die Menschen und für das Grund- und Trinkwasser ausgeschlossen werden können. Die FDP bindet diese Fördermethode zudem an die gesellschaftliche Akzeptanz.
Mit unterschiedlichen Maßnahmen wollen die Bundestagsparteien Fehlentwicklungen bei Biokraftstoffen begegnen. DIE LINKE will den Import von Agrotreibstoff verbieten, weil er die Nahrungsmittelproduktion in Ländern des globalen Südens verdrängt. Regionale, reine Pflanzenölkraftstoffe sollten nur im Agrarbereich und beim Öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden. DIE GRÜNEN erklären, die Energiewende dürfe nicht zu Lasten der weltweiten Ernährung oder des Naturschutzes gehen. Sie setzen sich dafür ein, die Erzeugung und den Import von Biomasse an die Einhaltung strenger Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards zu binden. Sie wollen dem übertriebenen Maisanbau in Deutschland, den Fehlsteuerungen in der Agrar- und Energiepolitik der letzten Jahre zu verantworten hätten, entgegenwirken und die Rahmenbedingungen so ändern, dass sich die Förderung von Biogasanlagen künftig auf die Verwertung biogener Reststoffe konzentriert und dass Anreize geschaffen werden, den Anbau von Monokulturen auf Fruchtfolgen und auf ökologisch und landschaftlich attraktive Energiepflanzen umzustellen. Auch die SPD strebt eine nachhaltige Biomasseproduktion an, um den problematischen Veränderungen in der Agrarstruktur entgegen zu wirken.
Die CDU/CSU will sich dagegen für die Fortführung der Beimischungsquoten im Biokraftstoffbereich einsetzen, plant aber den Ausbau der Erforschung neuartiger Energiepflanzen als Alternative zum Mais. Die FDP verspricht, bei Biokraftstoffen darauf zu achten, dass es nicht zur Konkurrenz zwischen Tank und Teller kommt, und deshalb die Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten Generation, hergestellt ausschließlich aus Reststoffen von Nahrungspflanzen und Holz sowie organischen Abfällen, durch Forschungsförderung voranzutreiben. Gleichzeitig setzt sie bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu Biokraftstoffen stärker auf Anreize zur Nutzung von Reinbiokraftstoffen statt auf starre Beimischungsquoten wie bei E10.
»Wahlprogramme der Parteien im Vergleich« von Jochen Weichold und Cornelia Hildebrandt ist erschienen in der Reihe rls papers der Rosa-Luxemburg-Stiftung und kann hier komplett heruntergeladen werden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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