Labour sucht eigene Ecken und Kanten

Opposition unter Ed Miliband vor Richtungsentscheidungen für englische Parlamentswahl 2015

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Sommerzeit ist trotz des Broadway-Liedes das Leben nicht leicht - zumindest nicht für Oppositionsführer Ed Miliband.

Premierminister David Cameron schafft es - kraft des Amtes und mit der konservativen britischen Presse -, in den Schlagzeilen zu sein. Ob mit dem Angebot des Ritterschlages für den Wimbledon-Sieger Andy Murray, mit Glückwünschen für »unseren zukünftigen König George«, strengerer Bestrafung für Besitzer von Kampfhunden bis hin zum lebenslänglichen Freiheitsentzug oder Plakaten gegen illegale Ausländer: Cameron ist, gleich dem Igel im Märchen, überall immer schon da.

Die wirtschaftliche Lage verbessert sich langsam, zum ersten Mal seit Camerons Regierungsantritt vor drei Jahren. Einige Konjunkturexperten sprechen im Angesicht des 0,6-Prozent-Wachstums und höherer Häuserpreise von einem Aufschwung. Labours Umfragevorsprung schmilzt auf nur sechs Prozent zusammen. Was tun, Ed?

In der ersten Hälfte der Legislaturperiode hat der mit knapper Mehrheit zum Labour-Chef Gewählte Ed Miliband die Partei im Vergleich zu Vorgängern von Attlee bis Callaghan nach Wahlniederlagen gut zusammengehalten, hat in der Murdoch-Abhöraffäre bis hin zur Ablehnung von Kriegshilfe für die syrische Opposition gute Figur gemacht.

Jetzt stehen aber noch wichtigere Entscheidungen an, und in den letzten Monaten hat Miliband nicht immer überzeugt. In der Finanz- und Sozialpolitik möchte sein Sprecher Ed Balls zwar für Infrastrukturprojekte Geld locker machen, was zweifellos dem Wirtschaftswachstum zugute käme. Aber an den von den Tories mit Schadenfreude eingeführten Kürzungen bei Arbeitslosen und Behinderten will Balls festhalten. Damit will er den Wählern Seriösität zeigen, bleibt jedoch ungewollt hartherzig.

Ein ähnliches Problem zeigt sich bei der Parteifinanzierung. Labour bekommt einen Großteil ihres Budgets von den Gewerkschaften, die die Partei als parlamentarische Vertretung 1900 gegründet haben. Die Konservativen und Liberalen werden ihrerseits von Industriellen ernährt.

Nach einer Panne bei der Wahl eines Kandidaten für den schottischen Wahlkreis Falkirk, bei der die mächtige UNITE-Gewerkschaft ihren Einfluss zugunsten ihres Mitglieds Karie Murphy benutzt haben soll, stellt Miliband die Beziehung zu den Gewerkschaften in Frage. Schön und gut, wenn die Rechten ihr Verhältnis zu anrüchigen Hedgefonds-Besitzern, Steuerflüchtlingen und sonstigen Superreichen ebenfalls kappen würden: Aber als Vorleistung würde Miliband Labour um den Großteil des Einkommens bringen.

Jeder weiß, wofür Miliband nicht steht: für die Kultivierung des südenglischen, gut verdienenden Mittelstandes wie Tony Blair. Als weißes Blatt wurde er statt des als Blair-Anhängers kompromittierten älteren Bruders David gewählt. Aber wie sein Gesundheitssprecher Andy Burnham gegenüber dem linksliberalen Guardian betonte: Es wird Zeit, dass Labour Ecken und Kanten bekommt, woran die Partei erkennbar wird. Balls‘ Parole, »es geht den meisten viel schlechter als vor drei Jahren«, sei zwar richtig, aber reiche bei weitem nicht aus. Als eigene »große Idee« bietet Burnham die Integration von gesundheitlichen und sozialen Diensten von der Wiege bis zur Bahre.

Bisher opponiert Balls gegen den ehrgeizigen Plan, weil er nicht zu finanzieren sei. Also steht eine weitere Entscheidung an. Burnham warnt düster: Wenn die Partei nicht bis Ostern 2014 den Wählern vermitteln kann, wofür sie steht, geht die Parlamentswahl 2015 verloren. Bis zum Parteitag im Herbst braucht Labour einen gedankenheißen Sommer.

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