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Merkel-Doktrin gescheitert

Berlin prüft Stopp von Rüstungsexporten nach Ägypten

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 2 Min.

Während der Machtkampf zwischen Islamisten und Sicherheitsapparat in Ägypten weitere Opfer gefordert hat, berieten die EU-Botschafter am Montag über Konsequenzen des Konflikts. Deutschland will seine Rüstungsexporte überprüfen.

Extremisten haben am Montag in der Stadt Rafah 25 Polizisten getötet. Am Vorabend waren mindestens 35 Gefangene umgekommen, als während eines Transports von Kairo nach Al-Kaljubija begleitende Polizisten eine angebliche Meuterei der Islamisten mit Tränengas buchstäblich erstickten. Auch die in Brüssel tagenden Botschafter der EU-Staaten zeigten sich entsetzt, konnten sich aber nicht auf rasche Konsequenzen einigen. Am Mittwoch werden die EU-Außenminister über die Ägyptenkrise beraten.

Angesichts der Gewalt hat Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel neue Finanzhilfen für Kairo gestoppt. Doch laufen Projekte mit einem Fördervolumen von 100 Millionen Euro weiter; hinzu kommen 30 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt zur »Förderung des Demokratisierungsprozesses«. Zudem will Saudi-Arabien bei Streichungen einspringen.

Wie das Verteidigungsministeriums erklärte, stelle man auch die Militärkooperation auf den Prüfstand. Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel den Rüstungsexport als Druckmittel entdeckt und ließ das Wirtschaftsministerium alle Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegsgütern zurückstellen. Was mit schon erlaubten Waffenlieferungen passieren soll, werde geprüft. Schließlich wurden noch im ersten Halbjahr 2013 Exporte im Wert von 13 Millionen Euro gebilligt.

Die Bundesrepublik, drittgrößter Waffenexporteur der Welt, liefert seit Jahrzehnten großzügig Rüstungsgüter nach Ägypten. Wurden einst u.a. deutsch-französische Alpha Jet-Kampfflugzeuge exportiert, sind heute das Übungsflugzeug Grob 115EG und Combattante-2-Raketenschnellboote, aber auch sogenannte Kleinwaffen, Munition oder Radar- und Kommunikationssysteme wichtige Geldbringer für hiesige Waffenschmieden. Deutsche Wissenschaftler und Techniker haben sich zudem aktiv am Aufbau der ägyptischen Rüstungsindustrie beteiligt.

Allein 2011 wurden Exportgenehmigungen in Höhe von fast 75 Millionen Euro erteilt. Geplant ist auch die Lieferung von zwei U-Booten im Wert von 700 Millionen Euro. Schon seit Mitte der 80er Jahre produziert etwa Kader Factory for Developed Industries den auf dem Modell TH 390 von Thyssen Henschel (heute Rheinmetall) basierenden Radpanzer »Fahd« in Lizenz und mit Hilfe von Zulieferungen, darunter Mercedes-Dieselmotoren. Auf rund 131 Millionen Euro belaufen sich die dafür genehmigten Ausfuhren von 2004 bis 2012 – im Jahr des »Arabischen Frühlings« waren es 55 Millionen Euro.

Die ägyptische Armee setzte den »Fahd« wiederholt gegen Proteste im eigenen Land ein; nachweislich haben solche Panzer im Oktober 2011 friedliche Demonstranten überrollt. Sie wurden aber auch an Krisen- und Kriegsstaaten wie Algerien, Kongo oder Sudan geliefert. Das eine wie das andere sollen die angeblich so strengen deutschen Exportrichtlinien eigentlich verhindern. Die sogenannte Merkel-Doktrin der Friedenssicherung durch gezielten Rüstungsexport ist gescheitert.

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