»Abzockbremse« für Strom
Greenpeace stellt Rechtsgutachten zur Regulierung der Strompreise vor
Die Stromversorgung ist mit dem Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in ein bemerkenswertes Dilemma geraten: Während der Preis an der Leipziger Strombörse in Spitzenlastzeiten so stark gesunken ist, dass einzelne Energiekonzerne schon Kraftwerke stilllegen wollen, steigen die Endverbraucherpreise für Haushaltskunden und kleine Gewerbetreibende immer weiter.
Besonders betroffen sind jene Kunden, die ihren Strom zu Grundversorgungstarifen beziehen. Wenn man deren Stromkosten abzüglich Steuern und Abgaben betrachtet, dann pendeln die pro Kilowattstunde seit 2009 um 8,6 Cent. Der langfristige Einkaufspreis für Strom ist in dieser Zeit aber von etwas über sechs Cent auf knapp unter vier Cent gesunken, rechnete Greenpeace bei der Vorstellung eines Rechtsgutachtens zur Strompreisregulierung am Dienstag in Berlin vor. Von diesen gesunkenen Erzeugerpreisen hätten neben den Stromversorgern vor allem große Unternehmen profitiert, die den billigen Strom vom Erzeuger kaufen und gleichzeitig Freistellungen oder Ermäßigungen bei der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz in Anspruch nehmen, kritisiert Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup. Rund einen Cent pro Kilowattstunde kassieren die Energieversorger durch die Nichtweitergabe der gesunkenen Einkaufspreise zusätzlich. Für den Durchschnittshaushalt wären das nach Greenpeace-Schätzungen etwa 40 Euro jährlich.
Greenpeace sieht hier einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Grundversorger. Die Organisation stellte deshalb bei den 16 Landeskartellbehörden Anträge auf Prüfung der Grundversorgungstarife.
In diesem Zusammenhang wies Austrup darauf hin, dass derzeit noch immer etwa 40 Prozent aller Haushalte in Deutschland den Standardvertrag beim örtlichen Grundversorger haben, meist sind es noch mal genauso viele, die beim gleichen Anbieter zu Sonderkonditionen den Strom beziehen. Deshalb sei in der Regel eine marktbeherrschende Stellung anzunehmen. Hinzu komme, dass etwa zehn Prozent der Stromkunden nicht zu einem der anderen Anbieter mit günstigeren Konditionen wechseln können, weil ihre Kreditwürdigkeit nicht ausreicht. Zudem scheuten gerade ältere Bürger einen Anbieterwechsel.
Als zweiten Schritt fordert Greenpeace, dass der Staat die Standardtarife wieder vorab prüft und genehmigt - wie es bis zum Jahr 2007 möglich war. Wie ein Gutachten des Rechtsanwalts Martin Hack zeigt, müsste dafür allerdings das 2005 unter Rot-Grün novellierte Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) neuerlich geändert werden. Drittens müsse die Bundesregierung die ausufernden Subventionen der Industrie beim Strompreis reduzieren. Waren 2007 noch weniger als 500 Unternehmen von der Ökostrom-Umlage befreit, sind es aktuell bereits mehr als 2000. Greenpeace will diese Umlage nur noch Unternehmen erlassen, die zu mehr als 20 Prozent vom Export abhängen und dort auch nur die Unternehmensbereiche mit einer Energieintensität von über 20 Prozent. Begrenzt man diese Befreiungen auf energieintensive Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sänke die Umlage um 1,6 Cent je Kilowattstunde. Das wären pro Durchschnittshaushalt 64 Euro Ersparnis im Jahr.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer fordert Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf, die Grundversorgungstarife endlich kartellrechtlich überprüfen zu lassen. Das sei auch ohne Gesetzesänderung möglich.
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