Abenteuerlust in Eisenach
Nach neunjähriger Pause spielen die ThSV-Handballer wieder in der 1. Bundesliga
Nach neunjähriger Abstinenz war der Erstligaaufstieg für den ThSV Eisenach eine Sensation. Gleiches würde für den Klub der Klassenerhalt in der 1. Bundesliga bedeuten. Am Sonntag kommen die Handballer aus Thüringen nach Berlin zu den Füchsen.
Karsten Wöhler wählt seine Worte mit Bedacht, antwortet auf Fragen ruhig und sachlich. Seine pragmatische Art ist für ihn in der anspruchsvollen Doppelfunktion als Geschäftsführer und Sportlicher Leiter des ThSV Eisenach sicher nicht von Nachteil. Dass der 38-Jährige aber auch mit Herzblut bei der Sache ist, daran besteht kein Zweifel. »Eisenach ist einfach Kult«, schießt es aus Wöhler heraus als er seinen Klub beschreiben soll. Voller Emotionen schildert er die Leidenschaft rund um die Handballer, »das Aushängeschild für Eisenach, für die Wartburgregion, für ganz Thüringen eigentlich«.
Das Interesse am ThSV ist in diesem Sommer noch mal deutlich gestiegen. Nach neun Jahren in der Zweitklassigkeit gelang der Aufstieg in die 1. Bundesliga. 2300 Zuschauer erwartet Wöhler im Schnitt. In der Aufstiegssaison lag er schon bei 2000. Das erste Heimspiel in der neuen Liga am vergangenen Sonnabend gegen die TSV Hannover-Burgdorf verfolgten 2150 Fans. Der knapp mit 29:28 siegreiche Gegner aus Niedersachsen war beeindruckt. »Wir wussten, was uns hier erwartet«, sagte TSV-Coach Christopher Nordmeyer und schwärmte von der »wahnsinnig stimmungsvollen Kulisse«. Bei diesem Thema wird auch Karsten Wöhler wieder emotional. Die außergewöhnliche Atmosphäre und der große Rückhalt des Publikums in der Werner-Aßmann-Halle seien gerade jetzt in der Bundesliga ein großer Trumpf. »Die Hannoveraner haben so eine Stimmung in der ersten Liga bisher kaum erlebt«, berichtet Wöhler stolz.
Die Unterstützung hat sich der Klub aber auch hart erarbeitet. Seit 1954 wird in Eisenach Handball mindestens in der jeweils zweithöchsten Spielklasse geboten, oft auch eine Etage höher. So war Eisenach mit 31 Jahren Dauergast in der DDR-Oberliga und spielte auch schon in der Saison 1991/92 und von 1997 bis 2004 in der 1. Bundesliga. »Wir sind ein Traditionsverein«, sagt Wöhler. Rund 400 Mitglieder hat der Verein derzeit.
Karsten Wöhler ist Teil dieser Handballtradition. Rund 50 Kilometer von Eisenach im thüringischen Dingelstädt geboren, spielte er als Linksaußen von 1998 bis 2004 beim ThSV und kehrte drei Jahre später nach einem Abstecher zum MT Melsungen noch mal für zwei Jahre auf das Parkett der Werner-Aßmann-Halle zurück. In seiner Zeit als Spieler erlebte er die Fast-Insolvenz des Klubs im Jahr 2003 mit. Die zweite schwierige Phase des ThSV managte er schon als Geschäftsführer und Sportlicher Leiter. »Vor dreieinhalb Jahren haben wir den Verein gerade noch so gerettet«, erinnert sich Wöhler wie alle »rundum Geld eingesammelt haben«, um die Lizenz für die zweite Liga zu bekommen.
Nun wird wieder Erstligahandball in Eisenach gespielt. Ganz nüchtern spricht Wöhler das Wort »Sensation« aus. Der Aufstieg sei eine gewesen und der Klassenerhalt in dieser Saison wäre auch eine. Mit einem Etat von 1,5 Millionen Euro geht der ThSV in die Bundesliga. Weniger Geld hat keiner der 17 Konkurrenten zur Verfügung, der Abstand zum THW Kiel (9 Millionen) und zum HSV Hamburg (8,5) ist unerreichbar groß. Aber auch Klubs wie die Füchse Berlin, bei dem die Eisenacher am Sonntag um ihre ersten Bundesligapunkte kämpfen, können mit mindestens dem Dreifachen planen.
Also geht Wöhler das »Abenteuer Bundesliga« ganz pragmatisch an. »Es ist gut möglich, dass wir das eine Jahr mitmachen und dann erst mal wieder absteigen.« Wichtiger ist ihm die weitere wirtschaftliche Konsolidierung. Noch belasten 200 000 Euro Schulden den Verein, vor dreieinhalb Jahren waren es doppelt so viel. Und der Aufstieg hat das Wirtschaften nicht leichter gemacht. Der geforderte Hallenstandard in der Bundesliga erforderte eine zusätzliche Investition im sechsstelligen Bereich.
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