Kein Kriegsjubel in Jordanien
Das Königreich möchte bei einem Angriff auf Syrien keine Basis für die US-Bomberflotte sein
Es hat Gründe, warum man so selten etwas über Jordanien hört: Inmitten einer Region der Konflikte, der Instabilität, scheint in dem Königreich nie etwas zu passieren. »Wir finden das auch gut so«, sagt Abdullah Ensur, der jordanische Regierungschef. »Wir haben viele Probleme, aber wir haben es geschafft, jahrzehntelang ohne Gewalt auszukommen.«
Doch der Schein, das gesteht der Premierminister offen ein, trügt. Jordanien hat eine bewegte Geschichte hinter sich, in deren Verlauf zunächst Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge aufgenommen werden mussten, und dann 1951 König Abdullah I. aus Zorn über die Annektierung des Westjordanlandes durch Jordanien ermordet wurde. In den 70er Jahren lieferte sich das Militär zudem einen Krieg mit der PLO, die bis dahin zu einem Staat im Staat geworden war; mehrere Male marschierte Syriens Armee ein; sieben Mal entging König Hussein einem Mordanschlag.
Irgendwann kehrte dann Ruhe ein. Eine Ruhe, um die sich in Jordanien in diesen Tagen viele sorgen. Denn ein Angriff auf Syrien könnte Jordanien direkt betreffen, auf vielerlei Arten: von der syrischen Grenze bis nach Amman ist es nur ein Katzensprung; syrische Vergeltungsmaßnahmen wären verheerend. Denkbar ist aber auch, dass es zu Unruhen kommen könnte. Trotz der augenscheinlichen Ruhe im Lande ist die soziale Spaltung groß; zudem verurteilt zwar, wie in vielen anderen arabischen Ländern auch, ein Großteil der Öffentlichkeit den Giftgaseinsatz, lehnt aber ein militärisches Eingreifen durch den Westen strikt ab.
Vor allem der palästinensische Bevölkerungsanteil, der mittlerweile auf etwa 70 Prozent geschätzt wird, steht den Vereinigten Staaten wegen ihrer Nähe zu Israel kritisch gegenüber.
Jordaniens Königshaus und Regierung gelten ohnehin schon als extrem pro-westlich und werden dafür häufig in den Medien kritisiert. Aber das Land ist wirtschaftlich und militärisch von den Vereinigten Staaten und Europa abhängig. So unterstützen die USA, aber auch die einstige Mandatsmacht Großbritannien, die das haschemitische Königshaus Anfang der 1920er Jahre einsetzte, die jordanische Armee mit Ausbildung und schweren Waffen; außerdem unterhält Washington eine Militärbasis im Land, auf der auch Spezialeinheiten stationiert sein sollen. Diese Basis ist nun einer der Stützpunkte, die für die Luftangriffe gegen Syrien im Gespräch sind. Eine Aufmerksamkeit, die Premier Ensur zurzeit gar nicht schätzt. Zunächst ließ er vor einigen Tagen seinen Informationsminister Mohammad al-Momani, eine Art Regierungssprecher, erklären, Jordanien stehe nicht als Aufmarschgelände für einen Angriff zur Verfügung. Nun ergänzt Ensur selbst: »Der Westen hat eine Vielzahl von anderen Optionen; er ist nicht auf uns angewiesen.«
Doch ganz so klar, wie es auf den ersten Blick aussieht, sind die Dinge nicht. Ausländische Medien zitierten in den vergangenen Tagen hochrangige Vertreter des Militärs, die klarmachen, dass man fest damit rechnet, in einen Angriff gegen Syrien eingebunden zu werden. Bereits vor zwei Tagen wurden Truppenverbände an die Grenze verlegt - was allerdings in vielen Nachbarstaaten geschieht: Man will für den Ernstfall gegen ein Übergreifen des Konflikts auf das eigene Gebiet gewappnet sein.
Ausländische Diplomaten in Amman halten das alles für Kalkül. »Man zeigt dem Westen, dass man bereit ist mitzumachen, und hofft darauf, dass man in Ruhe gelassen wird«, sagt ein europäischer Diplomat. Das Treffen von westlichen Generalstabschefs habe wohl vor allem deshalb in Jordanien statt gefunden, um zu signalisieren, dass man das Land im Falle eines Angriffes nicht im Stich lassen wird.
Ziel erfasst: US-Soldaten bei einer Militärübung in Jordanien
Foto: dpa/Owings
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