Bloomberg hinterlässt Spuren in New York
Bürgermeister tritt nach zwölf Jahren ab
Michael Bloomberg war im Wahlkampf um seine Nachfolge auffallend abwesend. Mehr als einmal hat er durchblicken lassen, wie wenig ihm die Kandidaten behagen, deren aussichtsreichster am heutigen 10. September gekürt wird.
Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Den Ton hat Bill de Blasio angeschlagen, der sich seit Wochen an der Spitze der Umfragen hält. De Blasio hat formuliert, was bisher niemand so deutlich auszusprechen wagte: Das New York Michael Bloombergs ist eine geteilte Stadt. Nie zuvor war der Unterschied zwischen Arm und Reich so groß. Beinahe ein Viertel der Bürger lebt unter der Armutsgrenze, die Spitzenverdiener sind so reich wie nie.
Noch unlängst lobte man Bloomberg dafür, dass er den Haushalt trotz wirtschaftlich rauer Zeiten brav in der Balance hielt. Man freute sich darüber, dass er die Kriminalität auf einen Tiefstand gedrückt und die Lebensqualität verbessert hat.
Mitte der 70er Jahre war die Stadt am Rand des Bankrotts. Das Verschwinden von Industrie- und von Handwerks-Jobs hatte New York verelenden lassen, die Mittelschicht war in die Vororte geflohen. Die Drohung, die Stadtgeschäfte könnten durch übergeordnete Körperschaften übernommen werden, wie derzeit in Detroit zu beobachten, ermöglichte politisch das Zurückfahren einer im Kern sozialdemokratischen Stadtpolitik. Es begann das, was Soziologen die Neo-Liberalisierung New Yorks nennen, ein harter Sparkurs, auf dem Sozialprogramme eingestampft wurden und Anreize für Großunternehmen absolute Priorität erhielten.
Dieser Weg gipfelte in der Wahl Bloombergs im Jahr 2002, in der Folge des 11. September. Der Macher schien der Richtige zu sein, die Krise zu managen, und er tat es mit allen Mitteln moderner Unternehmensführung. Im Ergebnis ist New York kaum wiederzuerkennen. Die historischen Nutzungsbeschränkungen für 40 Prozent der Stadtfläche wurden aufgehoben, der flächendeckenden Luxussanierung durch Immobilienmogule wurde Tür und Tor geöffnet. Bloomberg sprach offen davon, dass er New York als Luxusprodukt sieht.
Die unteren Schichten waren außer als Dienstleister nur noch Störfaktoren. Taxifahrer, U-Bahnschaffner, Portiers und Kellner pendeln heute weit aus den Außenbezirken nach Manhattan. Nach Dienstschluss verschwinden sie wieder, um das Bild nicht zu stören. Bloombergs Versprechen, der Wohlstand der Superreichen werde irgendwann auch bei ihnen ankommt, blieb unerfüllt. 2001 erzielte das reichste Prozent der New Yorker Bevölkerung 27 Prozent der Einkommen, 2012 waren es 39 Prozent. Die Armutszahlen blieben derweil konstant.
Das alles wird den New Yorkern langsam klar. Sie schauen sich um und sehen eine Stadt, die mit dem bunten, lebendigen, vielleicht auch etwas schmuddeligen Schmelztiegel, den sie einst kannten und liebten, nichts mehr zu tun hat. Die Hoffnung, dass ein Bill de Blasio das wieder ändert, ist gedämpft. Sein Vorschlag, die lokalen Einkommensteuern der Spitzenverdiener von 3,9 auf 4,3 Prozent zu erhöhen, stößt auf massiven Widerstand der Betroffenen. Und das sind diejenigen, die in New York das Sagen haben.
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