Ungebrochene Triebkraft für hochriskante Geschäfte
Die Bankenregulierungen der vergangenen Jahre waren kaum mehr als eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners
Fünf Jahre nach der Lehman-Pleite ist es mit der Regulierung der Finanzmärkte noch immer nicht weit her. Trotz einer Vielzahl neuer Verordnungen »kann die Krise jederzeit wieder losgehen«, warnt der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel gegenüber »nd«.
Dabei mangelte es in der Politik nicht an Versuchen, den Kern der Krise, die Banken, in den Griff zu bekommen. Im Jahr eins nach Lehman verabschiedeten die Staatschefs, Finanzminister und Notenbanker der 20 führenden Wirtschaftsmächte auf ihren G20-Gipfeln in London und Pittsburgh einen Maßnahmenkatalog. In Basel wurde der Finanzstabilitätsrat FSB eingerichtet, der vor globalen Gefahren warnen soll. Im Jahr zwei wurde in den USA mit dem »Dodd-Frank-Act« eine 850 Seiten starke Gesetzessammlung geschaffen. Und in Europa wurden nach und nach tausende Seiten mit EU-Richtlinien und nationalen Gesetzen gefüllt.
Angepackt wurden beispielsweise Banker-Boni - Fehlanreize für raffgierige Topmanager gelten als ein Grund der Krise. Doch das Managergesetz der schwarz-gelben Bundesregierung dürfte noch vor der Wahl im Bundesrat scheitern. Derweil werden Millionen-Abfindungen an zwei geschasste Vorstände der teilverstaatlichten Commerzbank gezahlt, und selbst wirtschaftsnahe Kritiker wie Ex- Commerzbank-Boss Klaus-Peter Müller erwarten weitere Erhöhungen der Vorstandsgehälter.
Beispiel Finanztransaktionssteuer: Von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vollmundig vereinnahmt, droht die »Tobin-Tax« in den Mühlen der EU zermahlen zu werden. Nur 11 der 28 Mitgliedsländer wollen überhaupt mitmachen, und EU-Juristen urteilen, die geplante Abgabe sei mit europäischem Recht unvereinbar. Die Bankenbranche feiere bereits, meldete das »Handelsblatt«.
Beispiel Bankenaufsicht: Hier droht ein Regulierungschaos. Erst 2011 wurde in London die EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA gegründet. Nun setzen ihr die Euroländer im Rahmen der auch erst in Ansätzen erkennbaren »Bankenunion« die Europäische Zentralbank (EZB) vor die Nase. Daneben spielen weiterhin nationale Aufsichtsbehörden - in Deutschland BaFin und Bundesbank - eine eigenständige Rolle. Und überhaupt keine Aufsicht gibt es für Schattenbanken und viele Finanzoasen.
Am markantesten sind noch die Fortschritte bei »Basel III«. Um das Unfallrisiko der Banken zu schmälern, sieht das neue globale Regelwerk der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel eine Erhöhung des Eigenkapitalpuffers für »systemrelevante« Kreditinstitute wie die Deutsche Bank vor. Ob die USA wie beim Vorläufer »Basel II« abseits bleiben und die ausschlaggebenden Details wenigstens in der EU einheitlich geregelt werden, ist ungewiss. Kritiker wie Attac halten die Regeln ohnehin für zu zahm.
Axel Troost, Finanzexperte der Linksfraktion im Bundestag, sieht denn auch in der G20 »eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners« am Werk. Für das Scheitern der Politik gibt es einige Gründe, die von den Erfolgen der Bankenlobby bis zu vermeintlich nationalen Interessen reichen. Jede Regierung rettete zunächst »ihre« Banken und sorgt sich seither um mögliche Wettbewerbsnachteile durch Regulierungen. So will die US-Aufsicht vor allem Auslandsbanken an die Kandare nehmen, und in der Londoner Downing Street fürchtet man um die City, den größten Spekulationsmarkt weltweit. Die Schwellenländer wurden von der Lehman-Pleite wiederum nur gestreift - sie sorgen sich eher um ihre Devisenkurse.
Offenkundig wurde wenig aus den Ursachen der Krise gelernt. Und so lebt der neoliberale Glaube an den Markt weiter. Zusammenfassend stellt Sebastian Dullien von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin im »Wirtschaftsdienst« fest, dass die Finanzmarktreformen »zu stark eine grundsätzliche Rationalität der Finanzmärkte unterstellen«. In dieselbe Kerbe schlägt Rudolf Hickel: Die Rationalität, die Banken verstehen, ist »das Profitmotiv«. Diese Triebkraft für hochriskante Geschäfte sei »ungebrochen«.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!