NPD verhöhnt KZ-Opfer

Hetzplakate gegen Sinti und Roma bei »Dora-Mittelbau«, einem Ort ihrer Ermordung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Provokation ist eine der wichtigsten Kampfformen der NPD. Gerade in Wahlzeiten. Doch an der Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen sind die Rechtsextremisten eindeutig zu weit gegangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

NPD-Hetzplakate auf einer »Straße der Opfer des Faschismus«? Das ist zumindest extrem geschmacklos. Doch wenn diese Straße dann auch noch zu einem ehemaligen Vernichtungslager des Hitler-Regimes führt, dann ist das eindeutig ein Fall auch für die Justiz. Entsprechend handelte Dr. Jens Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora im thüringischen Nordhausen, und stellte bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen Strafanzeige gegen die rechtsextremistische Partei.

Wagner hält es nämlich nicht für hinnehmbar, dass man an einem Ort, an dem über 60 000 Menschen aus fast allen Ländern Europas zur Zwangsarbeit getrieben und gequält wurden, Plakate mit der Aufschrift hängen: »Geld für die Oma statt für Sinti & Roma«. Jeder dritte der Wunderwaffen produzierenden Sklaven hat das unterirdische Schreckenslager nicht überlebt.

Der Historiker erklärt auch den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Sinti und Roma und dem Sklavenlager. Anfang August 1944 sei in Auschwitz-Birkenau das sogenannte Familien-Zigeunerlager aufgelöst worden. Die meisten Insassen wurden in Gaskammern ermordet. Nur etwas mehr als 1500 Jungen und Männer ließ die SS am Leben. Sie sollten Zwangsarbeit für den »Endsieg« leisten und wurden fast alle in das KZ Mittelbau-Dora deportiert. Dieses Lager wurde damit im August 1944 die zentrale Haftstätte für männliche Sinti und Roma. Nur wenige haben das Außenlager von Buchenwald überlebt. Und ausgerechnet hier, wo sich jede andere Parte jede Wahlwerbung versagt, hängt die NPD ihre Hetzplakate auf. Nicht nur Wagner ist empört über diesen »zielgerichteten Angriff auf die Würde des Ortes und der Menschen, die hier ermordet wurden«.

Die Staatsanwaltschaft in Mühlhausen, die wie ein Behördenmitarbeiter anmerkte, 25 000 Anzeigen pro Jahr zu bearbeiten hat, bestätigt auch den Eingang von Wagners Einspruch. Aber natürlich könne die Behörde nicht einfach anweisen, dass die Plakate verschwinden müssen, doziert der stellvertretende Chef, Oberstaatsanwalt Ulf Walter. Da wäre die zuständige Ordnungsbehörde gefragt. Das betreffende Anti-Sinti-und-Roma-Plakat bereitet den Mühlhausener Strafverfolgern Probleme, erklärt Walter. Er spielt auf Urteile von hessischen Verwaltungsrichtern an. Die Bürgermeister, die das Plakat abhängen ließen, waren gezwungen, sie wieder aufzuhängen. Punktum: Den Straftatbestand der Volksverhetzung sehen die Richter als nicht gegeben, das NPD-Plakat ist also sanktioniert. Was soll da ein armer Staatsanwalt tun?

Beispielsweise Wagners Anzeige in Gänze behandeln. Der Gedenkstättenchef hatte neben Volksverhetzung auch die Strafgesetzbuch-Paragrafen 168 und 189 angeführt. Dabei geht es um Störung der Totenruhe und das Verächtlichmachen von Verstorbenen.

Walter bestätigt dann auch, dass man die örtliche Kriminalpolizei um Ermittlungen gebeten habe. Man müsse die räumliche Nähe der Wahlwerbung zur Gedenkstätte feststellen und eventuell Zeugen vernehme. Das dauert nun, »denn wenn es zur Anklageerhebung kommen sollte, muss ja alles ordentlich dokumentiert werden«, sagt Walter.

Der Mann, der Walter vor diese gewaltige Aufgabe stellt, will indessen mehr. Kommunen, so sagt er, haben durchaus das Recht, das Plakathängen zu untersagen - aus städtebaulichen, aus verkehrstechnischen aber auch aus ethischen Gründen heraus. Daher hat er die Stadt Nordhausen um Prüfung gebeten, ob man nicht zumindest an den Zufahrtswegen zur Gedenkstätte und am Ehrenfriedhof im Zentrum ein generelles Wahlwerbeverbot per Satzung aussprechen kann.

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