Merkel hat »keine Stimme zu verschenken«

FDP buhlt weiter um Zweitstimmen / Linke weiter vor Grünen / Steinbrück will »nicht erneut der Steigbügelhalter« für CDU-Kanzlerin werden

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Berlin (Agenturen/nd). Während wenige Tage vor der Bundestagswahl die Umfragewerte der Parteien kaum Veränderungen zeigen, wirbt die FDP vehement um Zweitstimmen - doch die CDU erteilt dem öffentlich eine klare Absage.

»Wer klare Verhältnisse will, wählt mit der Zweitstimme FDP«, sagte der Vorsitzende der Freidemokraten, Philipp Rösler der »Bild«-Zeitung. Außenminister Guido Westerwelle vertrat die Ansicht, es sei »klug, wenn sich die CDU auf die Erststimme konzentriert und die FDP auf die Zweitstimme«. Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Christian Lindner stimmte in den Chor der Zweitstimmen-Werber ein. In der »Welt« machte er sich für Absprachen in Wahlkreisen zwischen FDP und Union stark. »Dort, wo es sinnvoll ist, empfiehlt sich eine Kooperation«, sagte der nordrhein-westfälische Landeschef. Es gebe in manchen Wahlkreisen wie in Bonn kluge Absprachen zwischen FDP und CDU, »die helfen sollen, dass überhaupt der CDU-Kandidat den Wahlkreis gewinnt«. Da gebe es also »ein wechselseitiges Interesse«.

Aus der Union kommen jedoch ablehnende Stimmen. Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilte dem Verleihen von Zweitstimmen an die FDP eine klare Absage. »Natürlich setze ich mich zuallererst für ein gutes Wahlergebnis der Union ein, dafür bitte ich um beide Stimmen für die CDU«, sagte Merkel der »Rhein-Zeitung«.

Ihr Ziel sei aber, »die christlich-liberale Koalition fortzusetzen«, weil Union und FDP erfolgreich» zusammenarbeiteten. «Deshalb möchte ich diese Zusammenarbeit gern fortsetzen», sagte Merkel.Bei einem Wahlkampfauftritt im niedersächsischen Duderstadt hatte die Kanzlerin gesagt: «Wir haben keine Stimme zu verschenken. (...) Beide Stimmen für die CDU, das ist das Motto.» Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der sagte: «Klare Ansage: beide Stimmen für die CDU. Zweitstimme ist Merkelstimme.»

Beobachter haben allerdings die einschränkende Vermutung ausgesprochen, zu einer Zweitstimmen-Kampagne zugunsten der FDP gehöre es womöglich, dass diese seitens der CDU öffentlich bestritten wird. Ihre Wirkung entfalte die nun einsetzende Debatte trotzdem, da Wähler nun auf die Optionen einer taktischen Wahl richtig aufmerksam gemacht würden.

Derweil hat Angela Merkel in Potsdam bei einem Wahlkampfauftritt vor mehreren Tausend Menschen mit deutlicher Kritik zu kämpfen gehabt. Ihre Rede auf dem Bassinplatz am Rande des Holländischen Viertels wurde von Demonstranten mit lauten Pfiffen begleitet. Die Demonstranten hielten Transparente hoch mit der Aufschrift «Gegen Homophobie» und «Atomkraft - Nein Danke».

Einer aktuellen Umfrage des Instituts Forsa zufolge können Union und FDP gemeinsam mit 44 Prozent der Stimmen rechnen. SPD und Grüne kommen demnach auf 34 Prozent. Die Linkspartei liegt mit 10 Prozent bei dieser Umfrage weiterhin vor den Grünen (9 Prozent). Die eurokritische Partei «Alternative für Deutschland» steht bei 3 Prozent. Die Piraten stagnieren bei ebenfalls 3 Prozent.

Zur FDP, die mit fünf Prozent bewertet wird, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner auf stern.de, deren Scheitern bei der Landtagswahl in Bayern bedeute längst nicht, dass nun ihr Todesglöcklein geläutet würde. Güllner erinnerte daran, dass die FDP 1994 bei der Landtagswahl in Bayern 2,8 Prozent erhalten habe, bei der Landtagswahl 1998 sogar nur 1,7 Prozent. Trotzdem sei sie bei den Bundestagswahlen kurz darauf jeweils über 6 Prozent gekommen.

Das jüngste Umfrageergebnis wird in den Nachrichtenagenturen erneut als «Patt» zwischen den politischen Lagern gezeichnet. Allerdings steht eine Kooperation von SPD, Grünen und Linkspartei nicht auf der Tagesordnung, nachdem die Spitzen von Rot-Grün dies ebenso oft wie kategorisch abgelehnt hatten. Für die SPD bleibt demnach als Regierungsoption wahrscheinlich nur eine Große Koalition.

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück bekräftigte aber erneut, für eine solche Koalition nicht zur Verfügung zu stehen. Er werde «nicht erneut der Steigbügelhalter» für die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel sein, sagte Steinbrück im ZDF-«heute-journal». Er sei «ins Gelingen verliebt» und wolle bis zur Wahl am Sonntag weiter für eine rot-grüne Bundesregierung kämpfen.

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