NSA-Aufklärung verhindert?

Tanja Dückers ist Schriftstellerin und hat den Offenen Brief mitinitiiert

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: 68 000 Menschen haben den Offenen Brief unterzeichnet, in dem 60 Autoren die lückenlose Aufklärung der Prism-Affäre fordern. Heute wollen Sie und die anderen Schriftsteller ihn nach einem »Marsch aufs Kanzleramt« übergeben. Werden Sie Frau Merkel persönlich treffen?
Dückers: Nein. Wir werden die vielen Kartons mit den gesammelten Unterschriften an Sabine Heimbach übergeben, die stellvertretende Regierungssprecherin. Aber wir werden Frau Merkel nicht persönlich treffen.

Wer wird dabei sein?
Es können nicht alle kommen, die gerne kommen wollten, aber es werden ungefähr 30 sein. Darunter sind Inka Parei, Christiane Neudecker, Ron Winkler, Michael Krumpfmüller und Prya Basil, eine sehr bekannte britische Schriftstellerin. Ich finde das toll. Das ist die erste konzentrierte öffentliche Aktion von Schriftstellern seit Jahrzehnten.

Haben Autoren eine besondere gesellschaftliche Verantwortung?
Ich wehre mich dagegen, sie müssten die zwangsläufig haben. Es gibt Schriftsteller, die sich nicht politisch äußern. Das ist auch legitim. Aber ich persönlich finde es wichtig, dass sich Schriftsteller öffentlich zu Wort melden und große gesellschaftliche Debatten begleiten. Immerhin sind das Personen, die unabhängig im Denken sind, die nicht einer Partei angehören oder für ein Unternehmen oder eine Institution stehen.

Warum kommen Sie jetzt zum Kanzleramt?
Wir wollten das in jedem Fall vor der Wahl tun. Und wir beurteilen sehr negativ, wie die Politik bisher reagiert hat. Ich finde, das ist eigentlich Grund genug, warum die jetzige Regierung abtreten sollte.

Was hat die Regierung falsch gemacht?
Frau Merkel hat sich evasiv wie immer geäußert. Mich stört diese Salami-Taktik, mit der immer genau das zugegeben wird, was gerade von investigativen Journalisten enthüllt wurde. Man scheint sich darauf auszuruhen, dass ein Großteil der Bevölkerung leider denkt: Selbst schuld, wenn man was ins Netz stellt, ist doch klar, dass wir alle überwacht werden. Dabei ist es doch ein Unterschied, ob ich öffentlich etwas auf Facebook poste oder meinem Verleger oder meinem Mann eine E-Mail schreibe. Artikel 10 des Grundgesetzes garantiert ein Recht auf Privatsphäre. Nur im Schuldverdachtsfall und nur per Gerichtsbeschluss ist eine Überwachung möglich. Die Gesetzgebung ist also völlig umgangen worden. Das ist mehr als nur ein Anzeichen für den Zustand unserer Demokratie.

Was halten Sie von dem Vorwurf aus der CDU, dass der Offene Brief die Bevölkerung verunsichern würde?
Das ist missglücktes Wahlkampfgeklingel. Man muss ja die eigene Untätigkeit und das Versagen rechtfertigen. Es ist schließlich eine verunsichernde Situation, wenn ich nicht weiß, was mit meinen Daten passiert und wer sie auswertet. Während man als Bürger immer transparenter wird, beanspruchen die Geheimdienste maximale Intransparenz. Das Schlimme ist das David-gegen-Goliath-Gefühl, das man bekommt, weil man letztlich gar nicht mehr alles überblicken kann. Das kommt aber durch die Situation, die von der Politik geschaffen wurde, und nicht durch den Brief.

Fragen: Marlene Göring

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