Meißeln mit Mindestlohn
Ab Oktober tritt eine eine Lohnuntergrenze für Steinmetze in Kraft
Auf seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl hat das schwarz-gelbe Bundeskabinett am Mittwoch einen weiteren Branchenmindestlohn beschlossen. Die Regierungsmitglieder billigten eine Vorlage von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), nach der die rund 11 400 in der Branche tätigen Steinmetze und Steinbildhauer im Osten ab dem 1. Oktober mindestens 10,13 (10,66 Euro ab 1. Mai 2014) erhalten und elf Euro im Westen (11,25 Euro ab 1. Mai 2014). Die neue Regelung gilt auch für nach Deutschland entsandte Beschäftigte von Firmen, die ihren Sitz im Ausland haben.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums gelten nun für insgesamt rund vier Millionen Beschäftigte in zwölf Branchen Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz. Dem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch war die notwendige Einigung auf einen Mindestlohntarifvertrag zwischen IG BAU und dem Arbeitgeberverband vorausgegangen.
Zudem wurden am Mittwoch die Mindestlohnverordnungen für die Gebäudereinigung bis Oktober 2014 und das Baugewerbe bis Ende 2017 verlängert und Lohnsteigerungen in beiden Branchen ab dem 1. Januar 2014 vereinbart. Dann gibt es es in der Gebäudereinigung mindestens 9,31 Euro im Westen und 7,96 Euro im Osten. Im Baugewerbe soll niemand unter 11,10 im Westen und 10,50 im Osten verdienen.
Branchenmindestlöhne werden mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz geregelt. Danach kann das Bundesarbeitsministerium per Rechtsverordnung zwingende Mindestarbeitsbedingungen und auch Mindestlöhne für bestimmte Branchen, die unter das Gesetz fallen, festlegen. Ursprünglich war das Arbeitnehmerentsendegesetz dazu gedacht, hiesige Bauarbeiter und Bauunternehmer vor Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Heißt: Entsandte Beschäftigte müssen nach den in Deutschland geltenden Bedingungen beschäftigt und entlohnt werden. Für Branchen, die unter das Gesetz fallen, können aber auch Mindeststandards und Mindestlöhne für Beschäftigte von in Deutschland ansässigen Unternehmen festgelegt werden.
Und manchmal geht es sogar richtig fix mit dem Branchenmindestlohn. »Wenn es jetzt vor einer Bundestagswahl so schnell geht, hätten wir uns gewünscht, dass es sonst auch schnell gegangen wäre«, sagte IG-BAU-Sprecher Ruprecht Hammerschmidt gegenüber »nd«. Der Mindestlohn für die Steinmetze ging in vier Monaten von Beantragung bis zum Kabinettsbeschluss relativ zügig über die Bühne.
Doch in anderen Branchen war manches dicke Brett zu bohren, bis das Ministerium die Mindeststandards verordnete. Der sächsische Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) hatte noch am Dienstag von einer gezielten Abschottung des westdeutschen Baugewerbes vor ostdeutschen Unternehmen gesprochen und gegen die Fortführung des Baumindestlohnes gewettert. Die FDP zeige kurz damit vor der Wahl einmal mehr ihr »wahres Gesicht des sozialen Kälte«, kommentierte IG-BAU-Vorstand Dietmar Schäfers. Die IG Metall kritisiert, dass Sachsen das einzige Bundesland sei, das die von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geforderte Fortführung des Mindestlohnes für die rund 350 000 Beschäftigten im Elektrohandwerk blockiert. Und in der Forstwirtschaft scheiterte 2011 die von beiden Tarifparteien geforderte Einführung des Branchenmindestlohnes zur Gänze. Der Grund war hier nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« die Lobbyarbeit des jüngeren Bruders - und Waldbesitzers - von Ex-Bundesverteidigungsminister und Ex-Doktortitelträger Karl-Theodor zu Guttenberg.
Am Arbeitsministerium habe es in der Vergangenheit nicht gelegen, sagte ver.di-Sprecher Christoph Schmitz gegenüber »nd«. Es seien eher die Arbeitgeber oder Teile der Politik, die gegen die Regelungen gemauert hätten.
Kritik an Branchenmindestlöhnen äußert Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Linksfraktion. Sie sieht neben der zu geringen Höhe ein grundlegendes Problem: Die Differenzierung in Branchen erschwere die Kontrolle der Einhaltung der Mindeststandards immens. »In den letzten Jahren waren Unternehmen unglaublich kreativ, wenn es darum ging, bestehende Tätigkeiten in andere Branchen einzugruppieren oder sogar gänzlich neue ›Branchen‹ zu erfinden, um bestehende Branchenregelungen zu umgehen«, so Krellmann. Kommentar Seite 4
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