Der East River im Schatten der Syrien-Krise
Heute beginnt die Genraldebatte der 68. UN-Vollversammlung
Für Guido Westerwelle ist es nach dem Ergebnis der Bundestagswahl eine Abschiedstour. Zum vorläufig letzten Mal wird der Bundesaußenminister am Sonnabend als deutscher Vertreter in der 68. UN-Vollversammlung vor den Delegierten der 193 Mitgliedstaaten sprechen, und irgendwie dürfte es zur Gemütslage des FDP-Mannes passen, dass die Generaldebatte wegen Umbauarbeiten im New Yorker Hauptquartier der Vereinten Nationen in diesem Jahr nicht im prächtigen Kuppelsaal, sondern in einem fensterlosen Raum hinter einfachen Kunststofftischen stattfindet. Die Sitzungsperiode der Vollversammlung dauert ein Jahr, besondere Aufmerksamkeit aber findet traditionell die gut einwöchige Generaldebatte zu Beginn.
Wie Westerwelle hat der Repräsentant jedes Mitgliedstaates – in diesem Jahr mit über 130 mehr denn je Staats- und Regierungschefs – 15 Minuten Redezeit, um zu einem Thema zu sprechen, das ihm wichtig erscheint. Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass sich vieles um den Syrien-Konflikt drehen wird. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erhofft sich Anregungen für eine politische Lösung der »ohne Zweifel größte Krise der internationalen Gemeinschaft«, wie er bei der Eröffnung der 68. UN-Vollversammlung in der Vorwoche sagte. Der Bundesaußenminister hat schon so etwas wie eine deutsche Initiative angedeutet.
Kritiker befürchten jedoch, dass diese Fokussierung zur Vernachlässigung globaler Probleme wie das Erreichen der Millenniumsziele für die Armutsbekämpfung führt. Noch immer steht ein Teil der im Jahr 2000 versprochenen Gelder aus. Die Vereinten Nationen werden einige zentrale Entwicklungsziele wie eine deutliche Senkung der Kindersterblichkeit absehbar verfehlen. Die Vorhaben nach 2015 waren eigentlich als übergreifendes Thema für die Generaldebatte gedacht.
Die jährliche Generaldebatte der UN-Vollversammlung bietet allen 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Möglichkeit, gleichberechtigt ihre Position zu wichtigen internationalen Themen deutlich zu machen. Zum Auftakt gibt Generalsekretär Ban Ki Moon einen Bericht über die Arbeit der Organisation.
Geleitet wird die Generalversammlung vom gewählten Präsidenten John W. Ashe aus Antigua und Barbuda. Er hat auch das Thema für die 68. Auflage vorgeschlagen: »Die Post-2015-Entwicklungsagenda: Voraussetzungen schaffen«. Ein solcher Schwerpunkt von globalem Interesse wird seit 2003 gesetzt. Damit sollen Rolle und Autorität des Weltforums gestärkt werden.
1945 per UN-Charta eingeführt, besetzt die Vollversammlung als höchstes beratschlagendes und repräsentatives Organ zwar eine zentrale Position der Vereinten Nationen und bietet eine einzigartige Bühne für multilaterale Debatten, doch sind ihre Beschlüsse völkerrechtlich nicht bindend. Die kann allein der Weltsicherheitsrat fassen. Die UN-Charta bestimmt fünf Staaten mit Vetorecht zu ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA). Die anderen zehn werden von der Vollversammlung nach einem regionalen Schlüssel für eine jeweils zweijährige Amtszeit gewählt.
Gleichwohl kann die Vollversammlung in Übereinstimmung mit der Resolution »Vereint für den Frieden« (3. November 1950) auch handeln, wenn der Sicherheitsrat im Falle eines Vetos nicht reagiert, obwohl damit die Bedrohung des Friedens, ein Friedensbruch oder eine Aggression gegeben wäre. Sie kann Berichte des Rates und anderer UN-Organe entgegennehmen und erörtern, sie genehmigt den Haushaltsplan der UNO, bestimmt auch die Mitglieder anderer UN-Hauptorgane und ernennt auf Empfehlung des Sicherheitsrates den UN-Generalsekretär.
Zudem spielt sie eine wichtige Rolle bei der Kodifizierung internationaler Gesetze. So hat die Vollversammlung nicht nur mit der 2000 verabschiedeten Millenniumserklärung Initiativen ergriffen, die maßgeblichen Einfluss auf die Lebensumstände in allen Teilen der Welt haben.
Letztlich geht in Sachen Syrien ohnehin nichts ohne den Weltsicherheitsrat, in dem die Vetomächte gerade beinhart über eine Syrien-Resolution streiten (siehe Beitrag unten). In der Generaldebatte wird grundsätzlich nichts beschlossen, Anträge oder Resolutionsentwürfe darf man dort nicht einbringen. Gleichwohl können in diesen Tagen durchaus weitreichende Entscheidungen fallen, in Konferenzen und Sondergipfeln am Rande der Generaldebatte. Themen sind etwa die nuklearen Abrüstung oder »Migration und Entwicklung«.
Zudem gibt es in New York diverse bilaterale Gespräche zwischen den angereisten Staats- und Regierungschefs. So soll USA-Präsident Barack Obama u.a. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen – seinen neuen iranischen Amtskollegen aber wohl nicht. Dennoch dürfte Hassan Ruhani, der heute in der Generaldebatte sprechen wird, bei seinem ersten Auftritt am East River besondere Aufmerksamkeit finden. Er hat dem Westen schon vorab vorgeschlagen, erst den Atomstreit zu beenden und dann gemeinsam die Weltprobleme zu lösen.
Hintergrund
Die jährliche Generaldebatte der UN-Vollversammlung bietet allen 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Möglichkeit, gleichberechtigt ihre Position zu wichtigen internationalen Themen deutlich zu machen. Zum Auftakt gibt Generalsekretär Ban Ki Moon einen Bericht über die Arbeit der Organisation. Geleitet wird die Generalversammlung vom gewählten Präsidenten John W. Ashe aus Antigua und Barbuda. Er hat auch das Thema für die 68. Auflage vorgeschlagen: »Die Post-2015-Entwicklungsagenda: Voraussetzungen schaffen«. Ein solcher Schwerpunkt von globalem Interesse wird seit 2003 gesetzt. Damit sollen Rolle und Autorität des Weltforums gestärkt werden.
1945 per UN-Charta eingeführt, besetzt die Vollversammlung als höchstes beratschlagendes und repräsentatives Organ zwar eine zentrale Position der Vereinten Nationen und bietet eine einzigartige Bühne für multilaterale Debatten, doch sind ihre Beschlüsse völkerrechtlich nicht bindend. Die kann allein der Weltsicherheitsrat fassen. Die UN-Charta bestimmt fünf Staaten mit Vetorecht zu ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA). Die anderen zehn werden von der Vollversammlung nach einem regionalen Schlüssel für eine jeweils zweijährige Amtszeit gewählt.
Gleichwohl kann die Vollversammlung in Übereinstimmung mit der Resolution »Vereint für den Frieden« (3. November 1950) auch handeln, wenn der Sicherheitsrat im Falle eines Vetos nicht reagiert, obwohl damit die Bedrohung des Friedens, ein Friedensbruch oder eine Aggression gegeben wäre. Sie kann Berichte des Rates und anderer UN-Organe entgegennehmen und erörtern, sie genehmigt den Haushaltsplan der UNO, bestimmt auch die Mitglieder anderer UN-Hauptorgane und ernennt auf Empfehlung des Sicherheitsrates den UN-Generalsekretär.
Zudem spielt sie eine wichtige Rolle bei der Kodifizierung internationaler Gesetze. So hat die Vollversammlung nicht nur mit der 2000 verabschiedeten Millenniumserklärung Initiativen ergriffen, die maßgeblichen Einfluss auf die Lebensumstände in allen Teilen der Welt haben.
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