Empörung über Pariser Etatentwurf

Unternehmer kommen besser weg als arbeitende Franzosen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Budgetentwurf der Regierung, der am Mittwoch in der Kabinettsitzung beraten und verabschiedet wird, ist bereits bekannt und wird in den Medien diskutiert. Um Indiskretionen zuvorzukommen, ist die Regierung in diesem Jahr in die Vorwärtsverteidigung gegangen und hat ihn in seinen wesentlichen Zügen schon vor Tagen der Presse vorgestellt.

Ein »Kampfbudget« soll es sein, erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici. Um den von Brüssel vorgegebenen Fahrplan zurück zur Drei-Prozent-Marke der Neuverschuldung einzuhalten, wird die Regierung mit harten Bandagen vorgehen, zumal das Wirtschaftswachstum 2014 nur 0,9 Prozent betragen dürfte statt der zunächst veranschlagten 1,2 Prozent. Die Neuverschuldung wird im laufenden Jahr 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, mehr als die veranschlagten 3,7 Prozent. Für das nächste Jahr soll sie unbedingt auf 3,6 Prozent gedrückt werden, um Ende 2015 tatsächlich die geforderten drei Prozent zu erreichen.

Dafür wird weiter eine harte Maßhaltepolitik verfolgt, deren Maßnahmen zu 80 Prozent zu Lasten der öffentlichen Ausgaben gehen. Dort sieht der Haushalt 2014 Einsparungen in Höhe von 15 Milliarden Euro vor. Davon sind mit Ausnahme des Bildungswesens und der Justiz alle Ministerien betroffen. Andererseits will man die Einnahmen des Staates um drei Milliarden Euro erhöhen, vor allem indem Steuerlöcher gestopft werden.

Doch wer geglaubt hat, dabei würden endlich die Konzerne zur Kasse gebeten, die ihre Steuern trickreich »optimieren«, indem sie die Gewinne in Steueroasen deklarieren, der irrt. Blechen müssen stattdessen beispielsweise die neun Millionen Arbeiter, die wieder Steuern auf Überstunden zahlen müssen, was ihnen vor zwei Jahren von Nicolas Sarkozy erlassen worden war. Dadurch büßen sie pro Monate oft mehr als 100 oder sogar 200 Euro ein. Die Linksregierung hatte sich erhofft, dass als Ersatz für die Überstunden wieder mehr Personal eingestellt werden würde. Die Statistiken zeigen, dass diese Rechnung nicht aufgegangen ist.

Für viel Unmut unter den arbeitenden Franzosen hat auch gesorgt, dass 1,2 Millionen Haushalte, die bisher aufgrund ihrer geringen Einkünfte von der Einkommenssteuer befreit waren, plötzlich Steuern zahlen müssen. Grund: Die Freigrenze ist seit zwei Jahren »eingefroren« und folgt nicht wie früher der Inflationsrate, während die Löhne, wenn auch meist nur analog zur Inflationsrate, steigen. Die Linksregierung, die diese Maßnahme von Nicolas Sarkozy einfach fortgeführt hatte, will sie nun korrigieren - aber erst im nächsten Jahr.

Doch die einschneidendste Maßnahme für die meisten Franzosen ist die ab Anfang 2014 wirksam werdende Erhöhung der vollen Mehrwertsteuer von 19,6 auf 20 Prozent und der mittleren von sieben auf zehn Prozent, während die ermäßigte für Grundnahrungsmittel von 5,5 auf fünf Prozent gesenkt wird. Diese Steuer ist besonders ungerecht, weil sie von allen Verbrauchern unterschiedslos gezahlt werden muss, arme Familien aber viel stärker trifft als reiche. Doch die Linksregierung erhofft sich so Steuermehreinnahmen von sechs Milliarden Euro. Nur soll damit nicht etwa die Maßhaltepolitik sozial abgefedert werden. Vielmehr wird das Geld umgehend an die Unternehmer weitergereicht. Diese Maßnahme trägt den blumigen Namen »Steuerkredit für Wettbewerb und Beschäftigung« und senkt die Lohnnebenkosten der um vier Prozent.. Das ist ähnlich wie bei der gerade beschlossenen und mit dem Budget 2014 wirksamen Rentenreform, wo die Beschäftigten ab sofort höhere Beiträge bezahlen müssen, während der Unternehmeranteil durch Kompensationen, die die Regierung gewährt, praktisch unverändert bleibt.

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