Grüne uneins über Schwarz-Grün

Pothmer: Gespräche sind selbstverständlich / Al-Wazir: Koalition mit Union ist ausgeschlossen / CSU poltert weiter / Umfragemehrheit für Große Koalition

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Berlin (Agenturen/nd). Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, hat sich für »ernsthafte Sondierungsgespräche« mit der Union über eine mögliche Koalition ausgesprochen. Kontakte zu CDU/CSU seien »selbstverständlich«, sagte sie der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Die Grünen steckten nun »mitten in der Fehleranalyse«, eine inhaltliche Neuaufstellung sei notwendig, um verlorenen gegangenes Vertrauen in der Mitte und bei Unternehmen wiederzugewinnen, sagte Pothmer.

Derweil sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU der »Leipziger Volkszeitung«, mit den Grünen, »die sich als dritte linke Partei im Bundestag sehen, kann es keine Koalition geben«. Sollte sich die Partei »in einigen Jahren« aber »als liberale Kraft zur Mitte hin entwickeln« sei eine Koalition selbstverständlich eine Option. Der Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt, machte erneut klar, dass aus Sicht der Christsozialen derzeit keine schwarz-grüne Regierung annehmbar ist: »Die Grünen sind keine Option, sie sind der politische Gegner.«

So hatte sich auch schon der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer geäußert. Allerdings stieß dies innerhalb der CDU auf Widerspruch, da es den machtpolitischen Spielraum von Angela Merkel einengt. Widerstand gegen Schwarz-Grün kommt aber auch von den Grünen selbst.

Eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene ist nach Ansicht des hessischen Grünen-Vorsitzenden Tarek Al-Wazir ausgeschlossen. »Ich sehe uns nicht in der Situation, dass wir in Koalitionsverhandlungen mit der Union einsteigen könnten«, sagte Al-Wazir der Nachrichtenagentur dpa in Wiesbaden. Grund sei unter anderem, dass die Grünen vor der Bundestagswahl faktisch ein solches Bündnis ausgeschlossen hätten.

Auch die für den Parteivorsitz antretende Grünen-Politikerin Simone Peter hat sich klar gegen ein Bündnis ihrer Partei mit CDU und CSU ausgesprochen. »Wir haben vor der Bundestagswahl einen Politikwechsel gefordert. Deshalb sehe ich derzeit keine Koalition mit der Union«, sagte die ehemalige Saar-Umweltministerin einer Koalition aus Union, Grünen und FDP der »Saarbrücker Zeitung«. Es gebe »grundsätzlich unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen«, so Peter. Auch bei den Themen Energiewende, Mindestlohn, Gleichstellung oder Steuerpolitik lägen Grüne und Union »weit auseinander«.

Dagegen zeigte sich der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn offen für eine schwarz-grüne Koalition im Bund. »Ich appelliere an die Grünen, das mit der Möglichkeit des Gelingens zu prüfen«, sagte Kuhn er der »Süddeutschen Zeitung«. Es gebe offenbar den Wunsch der Bevölkerung, Ökologie und Wirtschaft zusammenzuführen. »Es ist unsere Pflicht zu schauen, ob ein schwarz-grünes Bündnis das könnte.« In Sondierungsgesprächen müsse »ergebnisoffen« geklärt werden, »ob es zwischen den Grünen und der Union eine Basis bei der ökologischen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gibt«. Er sehe mögliche Schnittpunkte »bei der Energiewende, in den Umwelttechnologien, bei der Verkehrsinfrastruktur«, so Kuhn.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der dem Realoflügel zugerechnet wird, sagte der »Leipziger Volkszeitung«, es sei »eine spannende Aufgabe für uns, ein Bündnis mit den bürgerlichen libertären Schichten der Mitte zu schließen, ohne dabei die Ziele, für die unsere linken Parteimitglieder brennen, aus dem Auge zu verlieren.«

Wie eine aktuelle Umfrage zeigt, steht Schwarz-Grün bei den Wählern nicht besonders hoch im Kurs. Für ein schwarz-grünes Bündnis plädierten im Deutschlandtrend des ARD-Morgenmagazins 18 Prozent, für ein Zusammengehen von SPD und Grünen mit der Linken 16 Prozent. Knapp jedem Zweiten (48 Prozent) wäre bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen eine Koalition aus CDU/CSU und SPD am liebsten. Unter den Wählern der Union ist eine deutliche Mehrheit für eine große Koalition (62 Prozent). Bei den Wählern der SPD sprach sich eine knappe Umfragemehrheit für eine Regierungsbildung mit der Union aus (56 Prozent).

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