Kein Schnaps mehr aus der Knolle
Das Ende des staatlichen Branntweinmonopols bedeutet in Bayern wohl das Aus für 240 Brennereien
Nürnberg. Der Schieber öffnet sich, aus dem Traktoranhänger poltern tonnenweise Kartoffeln in die Auffanggrube der Kartoffelbrennerei - ein letztes Mal, bevor die Destillerie in der kleinen Ortschaft Barthelmesaurach südlich von Nürnberg für immer schließt. Denn mit dem Ende des staatlichen Branntweinmonopols steht die traditionsreiche Alkoholbrennerei vor dem Aus - wie 240 andere Kartoffel- und Getreidebrennereien in Bayern auch.
Zum 1. Oktober fallen die fast 100 Jahre lang gezahlten Subventionen für Agrar- oder Rohalkohol weg. Nur sie hatten die Verarbeitung von Kartoffelstärke zu Alkohol für Bauern und Brenner zuletzt noch zu einem auskömmlichen Geschäft gemacht. Bislang waren zur Stützung der bäuerlichen Brennereien jährlich rund 80 Millionen Euro Steuergelder geflossen. Mit dem Wegfall der Zuschüsse hat Deutschland Vorgaben aus Brüssel umgesetzt. Für Obst- und Kleinbrennereien gibt es noch eine Übergangsfrist bis 2017.
Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Kartoffelbrenner, Martin Empl, sieht für die bundesweit rund 600 Kartoffel- und Getreidebrennereien kaum eine Perspektive. »Ohne den staatlichen Zuschuss lohnt sich das Brennen für die Bauern nicht mehr, weil wir mit den Preisen des industriell erzeugten Alkohols nicht mithalten können«, stellt er fest. »Auf dem freien Markt wird keiner überleben.«
Viele Brennereien in Bayern hätten bereits mit der Abwicklung begonnen. Einige wenige hofften zwar noch, dass jetzt die Preise steigen - immerhin machte der Rohalkohol aus Kartoffeln und Getreide rund zehn Prozent der gesamten deutschen Alkoholproduktion aus. Aber Preiserhöhungen zeichnen sich nicht ab, auch wegen billiger Importe aus Übersee. Abnehmer für den Alkohol aus Kartoffeln waren bisher Spirituosen-Hersteller, Pharma- und Kosmetik-Unternehmen.
Dass in einigen bayerischen Regionen jahrzehntealte Brennerei-Traditionen ausgelöscht werden, ist für Empl nur eine Seite der Medaille. Das Ende der staatlichen Zuschüsse treffe bayernweit rund 1000 Landwirte - überwiegend Kartoffelbauern in Mittelfranken, der Oberpfalz und der Münchner Schotterebene. Die Böden seien dort zu sandig oder zu steinig und damit für kaum etwas anderes als den Kartoffelanbau geeignet.
»Für viele Bauern in unserer Region mit seinen sandigen Böden war der Kartoffelanbau eine wichtige Säule«, sagt der Vorsitzende der Brennereigenossenschaft Barthelmesaurach, Roland Götz. »Für manche Neben- und Zuerwerbslandwirte war das der einzige Grund, ihren Betrieb noch zu erhalten. Etliche von ihnen werden jetzt aufhören.« Götz baut selbst Stärke-Kartoffeln an und hofft immer noch auf eine Verbesserung der Marktlage für Agrar-Alkohol.
Andernfalls sieht er nur eine Alternative für seinen Hof in Günzersreuth: »Das Ganze geht in Richtung Maisanbau. Das ist das einzige, was bei uns in der Region noch was abwirft. Denn damit erzielt man noch gute Preise.« Götz weiß aber jetzt schon, was manche Politiker den Bauern in der Region dann vorwerfen werden: »Dann heißt es wieder, die Bauern treiben die Vermaisung der Landschaft voran.« Vor allem Natur- und Umweltschützer beklagen seit längerem Mais-Monokulturen in der bayerischen Landwirtschaft.
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