Das Rennen nach Rom

Klerus, Laien und Kanzlerin fordern eine Abberufung des Limburger Bischofs

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.
Will Papst Franziskus im Limburger Baukostenskandal populär entscheiden, ist die Entscheidung nicht schwer. Noch aber scheint die Kurie zu zögern.

Als Angela Merkel sich 2009 zum letzten Mal zur Politik des Papstes eingelassen hatte, war das Resultat gemischt. Dass eine protestantische Kanzlerin es sich herausnahm, Papst Benedikt XVI. wegen dessen Öffnung zur »Piusbruderschaft« zu kritisieren, hielt nach Umfragen zwar eine Mehrzahl für statthaft. Dennoch setzte es auch harte Kritik, nicht nur vom Papstbruder, sondern auch aus der CSU. Deren Europa-Abgeordneter Gerd Posselt wetterte, die Kanzlerin könne sich nicht zur »Lehrmeisterin des Papstes« aufschwingen.

Nun hat sie es wieder getan. Nicht nur der wegen seiner Bautätigkeit umstrittene Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und Robert Zollitsch von der Deutschen Bischofskonferenz fanden sich in Rom ein - auch Merkel schickte einen Gruß in das Rennen: Die Affäre sei sehr belastend, erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert - und brachte die »Hoffnung« auf »eine Lösung für die Gläubigen« zum Ausdruck, »für das Vertrauen der Menschen in ihre Kirche«.

Die Grundfesten der Kirche sind undemokratisch. Nur der Papst kann Bischöfe einsetzen oder abberufen, keine weltliche Macht und schon gar kein Kollegium. Nicht einmal ein Rücktritt ist gegen den Heiligen Stuhl möglich. Dennoch machte nicht nur die Politik, sondern auch der Klerus zu Wochenbeginn Druck: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann lässt sich zitieren, Tebartz-van Elst könne »im Grunde in Limburg nicht mehr arbeiten«, Zollitsch sprach von einem »gewaltigen Glaubwürdigkeitsproblem«. Für Stefan Vesper, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und damit der Sprecher der gläubigen Laien, ist es »undenkbar«, dass der Bischof im Amt bleibt - und Caritas-Präsident Peter Neher warnt schon vor rückläufigen Spendenaufkommen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner und der Chef der Glaubenskongregation, der Regensburger Ex-Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, stehen Tebartz-van Elst dagegen zur Seite.

Will der Papst, der ja das Armutsideal des Heiligen Franziskus zum Leitbild ausgerufen hat und selbst im vatikanischen Gästehaus lebt, populär entscheiden, ist die Sache einfach. Dennoch wurde bisher nicht deutlich, was die Kurie unternehmen wird. Ein Bischofswechsel auf politischen oder gar populären Zuruf würde ihre Autorität untergraben und Jahrhunderte zurückreichende Besitzstände des Papsttums infrage stellen. Zudem wäre ein Austausch der Person Tebartz-van Elst nur die weitestgehende Möglichkeit einer Reaktion. Denkbar wäre auch die Entsendung eines »Co-Adjutors«, also eines päpstlichen Zwangsverwalters oder eine »apostolische Visitation«, also eine päpstliche Untersuchungskommission. Bisher hält sich Franziskus bedeckt. Einstweilen wurde keine Partei zu ihm vorgelassen.

Der Bischof steht in der Kritik, weil er eine Kostenexplosion beim Bau eines neuen Bischofssitzes in Limburg verursacht und verschleiert haben soll. Aus ursprünglich 2,5 Millionen Euro seien zunächst 5,5 Millionen geworden. Der Skandal entzündete sich, als plötzlich 31 Millionen im Raum standen. Zuletzt kursierte sogar die Zahl von 40 Millionen Euro.

Gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« nannte dagegen der mit dem Vorhaben betraute Architekt Michael Frielinghaus weiterhin die Summe von 31 Millionen - allerdings könne von einer Kostenexplosion keine Rede sein: Diese Summe sei allen Beteiligten schon lange bekannt gewesen. Frielinghaus will sich sehr gewundert haben, als die Bischofsverwaltung noch 2010 von 5,5 Millionen Euro als wahrscheinlichem Baupreis ausging. Der Bischof habe die Öffentlichkeit, Mitarbeiter und Finanzkontrolleure über die wahren Kosten im Unklaren gelassen.

Der CDU-Politiker und Anwalt Jochen Riebel vom dreiköpfigen Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls betonte am Sonntag in einer Talkshow, er habe keine Möglichkeit gehabt, früher einzugreifen: »Wir sind kein Aufsichtsrat«, so Riebel.

Tebartz-van Elst hatte das Gremium, dem der frühere hessische Europaminister vorsitzt, 2010 selbst eingerichtet. Schon vergangene Woche hatte sich Riebel scharf gegen den Bischof in Stellung gebracht.

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