Den Glauben an die Rente längst verloren
Viele Beschäftigte befürchten Armut im Alter
In Sachen Altersvorsorge ist ein Großteil der Deutschen pessimistisch. Das belegt eine Studie des DGB, die am Montag veröffentlicht wurde. Demnach rechnen 42 Prozent der Beschäftigten nicht damit, dass die gesetzliche Rente zum Leben reicht. Nur 18 Prozent erwarten, dass sie im Alter gut oder sehr gut davon leben können werden. Am pessimistischsten sind Frauen, Teilzeit- und Leiharbeiter - und das nicht ohne Grund: Bei Niedriglöhnen reichen bereits Vollzeitstellen kaum für die Altersvorsorge aus.
Der DGB forderte die künftige Regierung auf, die Notbremse zu ziehen. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, Altersarmut sei vermeidbar: »Wenn die in wenigen Jahren ohnehin notwendige Beitragsanhebung in kleinen, paritätischen Schritten vorgezogen wird, kann zumindest das heutige Rentenniveau auf lange Sicht finanziert und die Erwerbsminderungsrente armutsfest gemacht werden.«
Sahra Wagenknecht, Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag, warnte angesichts der Zahlen vor einem »Renten-Gau«. Im Gegensatz zur Regierung habe die Bevölkerung die Gefahr erkannt und spräche sich gegen weitere Beitragssenkungen aus.
Gleichzeitig legen die Deutschen aber immer weniger Geld fürs Alter zurück, wie eine Studie im Auftrag des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken zeigt. Viele reduzierten sogar ihre private Altersvorsorge und gäben das Geld lieber aus. Der Verband vermutet als Grund dafür die extrem niedrigen Zinsen. Aber auch die Vielfalt und teils undurchschaubare Konditionen privater Vorsorgeangebote trügen ihren Teil zur sinkenden Vorsorgelust bei, kritisierte Niels Nauhauser, Rentenexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die kommenden Rentnergenerationen müssten aber privat vorsorgen - und am besten zusätzlich eine Betriebsrente in Aussicht haben. Laut der DGB-Studie bekommen aber bereits heute fast 70 Prozent aller Arbeitnehmer gar keine oder kaum Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge.
In den laufenden Koalitionsverhandlungen wird in Sachen Rente noch gepokert: Die SPD will ihre Solidarrente durchsetzen. Dabei würden die Renten auf bis zu 850 Euro erhöht, wenn der betreffende Arbeitnehmer mindestens 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahre nachweisen kann. Nach Medieninformationen will sich die Union darauf einlassen, wenn die SPD dem umstrittenen Betreuungsgeld zustimmt. Ebenfalls Streit gibt es um die Rente mit 67, die die Große Koalition in ihrer letzten Regierungszeit gemeinsam beschlossen hatte. Inzwischen fordert die SPD aber deren Aussetzung, solange nicht mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN trifft das derzeit aber nur auf 29,8 Prozent der Altersgruppe zu.
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