Banken in stürmischer See
Viele Geldhäuser setzten auf Beteiligungen an Schiffen - manchen droht nun der Untergang
Eigentlich sollten bei der Commerzbank längst die Würfel gefallen sein. Vorstandschef Martin Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller wollen den Sparkurs, der 3900 Stellen kosten soll, auch im Vorstand umsetzen: Zwei Managerposten sollen gestrichen werden. Doch in der Sondersitzung der Aufsichtsräte am vergangenen Montag reichte es wieder nicht für eine Mehrheit, weil die Arbeitnehmervertreter gegen einen kostspieligen Rausschmiss stimmten. Ein weiterer Grund: Beide Vorstände sind auch zuständig für Schiffsfinanzierungen und werden für deren Abwicklung benötigt. Das Neugeschäft mit Schiffen wurde zwar 2012 eingestellt, doch die Frankfurter Großbank sitzt noch auf fast 20 Milliarden Euro Altforderungen. Und die sollen »wertschonend«, das heißt langsam, abgebaut werden. Andernfalls könnte der Bank der Untergang drohen.
Die teilverstaatlichte Commerzbank ist kein Einzelfall. Die globale Schifffahrt läuft mittlerweile ins sechste Krisenjahr. Seit dem Ausbruch der Krise 2007 wuchs der Welthandel nur noch langsam und vor allem in Asien. In Europa wurde bislang nicht einmal das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Dazu kommen Überkapazitäten bei Containerschiffen und Massengutfrachtern. In den Boomjahren hatten auch deutsche Reeder massenhaft neue Schiffe in Werften in China und Südkorea geordert, die nun nach und nach auf den Markt drängen - und die Frachtraten durch das übergroße Angebot an Transportraum zusätzlich nach unten drücken. So liegen beispielsweise die Charterraten für mittelgroße Containerschiffe mit 500 Dollar pro Tag immer noch viel tiefer als im langfristigen Mittel von rund 1000 Dollar.
Damit sind auch Schiffsfinanzierungen gefährdet - vor allem in Deutschland: Deutschen Reedern und Investoren gehört jedes dritte Containerschiff weltweit. Grund ist das sogenannte KG-Modell, das unter Helmut Kohl (CDU) eingeführt und vom »Marinekanzler« Gerhard Schröder (SPD) fortentwickelt wurde. Üppige Steuervorteile machten das Modell zunächst attraktiv für Investmentfonds und Anleger. Nicht allein für Großanleger. So steht die Postbank am Pranger, weil sie laut »Stern« 60 000 hochriskante Beteiligungen an »geschlossenen Fonds«, darunter viele Schiffsfinanzierungen, an ahnungslose Sparer verkauft haben soll.
Die Banken profitierten von hohen Vermittlungsprovisionen für den Verkauf der Anteile an ihre Kunden und beteiligten sich selbst an Finanzierungen. Üblicherweise wurde nur ein Drittel des Kaufpreises über einen KG-Fonds als Eigenkapital finanziert - zwei Drittel kamen durch Bankkredite zusammen. Nun stehen bis zu 1000 Fonds - ein Viertel der deutschen Flotte - vor dem Aus und vielen Banken drohen hohe Verluste.
Die Bundesbank beziffert die Schiffsdarlehen großer Banken in Deutschland auf über 100 Milliarden Euro. Es gehe »um ein beträchtliches regionales und sektorales Risiko im Bankensektor«. Als akut gefährdet gilt die angeschlagene HSH Nordbank. Die Staatsbank von Hamburg und Schleswig-Holstein war mit einem Kreditvolumen von über 30 Milliarden Euro lange Zeit weltgrößter Schiffsfinanzierer.
Der Verantwortliche für die Abwicklungsabteilung der HSH Nordbank, Wolfgang Topp, sieht kein Licht am Horizont: »Derzeit ist die Schifffahrt in einem Überlebenskampf«, sagte er auf einem Expertentreffen der Reederei Hansa Treuhand. Er ist davon überzeugt, dass viele Reedereien verschwinden werden: »Das wird schmerzlicher, als wir uns derzeit vorstellen.« Allein 15 Prozent der Frachtschiffe im HSH-Bestand stufte er als hoffnungslose Fälle ein. Bei den restlichen 85 Prozent gäbe es zwar eine Chance, es würden aber auch hiervon viele untergehen. Eine harte Konsolidierung innerhalb Europas maritimer Industrie sei unausweichlich, so Topp. Die Pleitewelle vieler Schiffe wird neben Reedern und Anlegern auch Häfen und eben Banken wie die Commerzbank treffen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.