Mit Minihubschrauber auf Nashornjagd
In Estlands Kommunalwahlkampf bot die Opposition in der Hauptstadt einiges an Unterhaltung
Die Messe sollte eigentlich gelesen sein. In Estland finden am Sonntag Kommunalwahlen statt, auch in der Hauptstadt steht das Stadtoberhaupt zur Wahl. Ein Machtwechsel ist jedoch unwahrscheinlich. Oberbürgermeister Edgar Savisaar (63) und seine Zentrumspartei verfügen im Stadtparlament über die absolute Mehrheit. Umfragen deuteten darauf hin, dass er sie behalten wird. Die Opposition hat nur ihre zweite Garde ins Rennen geschickt und machte kaum den Eindruck, dass sie das Ruder noch herumreißen kann.
In dieser Ausgangslage brauchte es etwas Ausgefallenes. So dachte wohl auch der Bürgermeisterkandidat der Konservativen, Erik-Niiles Kross (46), und hat sich einer Art Guerilla-Taktik bedient. Das passt gut zu dem ehemaligen Diplomaten und Geheimdienstler, der in seiner Laufbahn mitunter die georgische Regierung um Präsident Michail Saakaschwili in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik beriet. Sein bislang fulminantester Streich: während OB Savisaar bei einer Sendung des stadteigenen Fernsehsenders flauschige Fragen beantwortete, surrte ein ferngesteuerter Minihubschrauber hinter der Glasfassade des Studios hoch. An den Kufen flatterte ein Stoffplakat, dass Savisaar der Korruption bezichtigte.
Die Uhren der Politik ticken in Tallinn anders als in der Landesregierung. Diese wird seit 2005 vom rechtsliberalen Andrus Ansip angeführt, wogegen Savisaar sich seit 1992 meist mit der Oppositionsrolle abfinden musste. Die Hauptstadt ist allerdings fest in seinen Händen. Die alte Hansestadt am Finnischen Meerbusen stellt mit über 400 000 Einwohnern fast ein Drittel der Bevölkerung des Landes. Die Wirtschaftskraft der Region Tallinn fällt noch stärker ins Gewicht.
Der Este Savisaar kann sich mitunter auf die treue russischsprachigen Wählerschaft stützen. Seine Zentrumspartei bringt es in diesem Segment bei Umfragen auf 80 bis 85 Prozent, alle anderen politischen Kräfte bleiben einstellig. Da die Hälfte der Tallinner russischsprachig ist - weit über dem Landesdurchschnitt von knapp 30 Prozent - und die Staatsangehörigkeit bei Kommunalwahlen keine Rolle spielt, kann er hier aus dem Vollen schöpfen. Mit einer städtischen Zusatzrente und kostenlosem öffentlichen Nahverkehr hat er dazu die eine oder andere Stimme der Esten sichern können.
Kein anderer Politiker spaltet so sehr wie Savisaar. Er gilt als autoritär und populistisch. Für viele ist er unwählbar. Seit den 90ern haftet Savisaar der Spitzname Nashorn (Ninasarvik) an. Er hat daraus eine Tugend gemacht. Das Rhinozeros wurde zum Maskottchen seiner Partei, die wie keine andere des Landes von ihrem Führer abhängt. Einem aus Berlin in den Tallinner Zoo überführten Spitzmaulnashorn steht Savisaar mit 4000 Euro im Jahr als Pate bei.
Einige Korruptionsfälle in der Stadtverwaltung haben die Fronten noch verhärtet. Kritiker werfen dem Bürgermeister eine aufgeblähte städtische Medienanstalt und das Veruntreuen von Steuergeld in Form von verkappter Eigenwerbung vor. In diese Kerbe hat auch Kross mit seiner Hubschrauberaktion gehauen. Seiner konservativen Partei Pro Patria und Res Publica Union scheint es geholfen zu haben. Sie hat in Umfragen zugelegt, allerdings nicht auf Kosten der Zentrumspartei. Heute wird man wissen, ob Savisaar seine Mehrheit gehalten hat oder nicht.
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