Das große Bischof-Gucken
Im hessischen Limburg ist die Zahl der Touristen stark angestiegen - die Gastronomie hat sich darauf eingestellt
Limburg. Ohne Zweifel, es ist hübsch hier. In den verwinkelten Gassen der Limburger Altstadt spiegelt sich die Mittagssonne in den Fenstern der kleinen Häuschen. Sie schmiegen sich wie schiefe Zähne an den Domberg. Viel Fachwerk, viel Schnörkel, viel Liebliches gibt es hier zu bewundern. Doch die Scharen von Menschen, die in diesen Tagen ins hessische Limburg fahren, kommen nicht wegen der Schönheit her, sie kommen wegen Franz-Peter Tebartz-van Elst und seinem »Protzbau«.
Der Bischof und die gestiegenen Kosten seiner neuen Residenz bescheren der Stadt einiges an Aufmerksamkeit. »Es kommen deutlich mehr Touristen her als sonst üblich im Herbst«, sagt der Erste Stadtrat Michael Stanke (CDU). Viele Menschen würden auf der nahen Autobahn das Schild Limburg sehen und spontan abfahren.
Die Altstadt ist daher auch werktags voller Fußgänger. Auf einem Kioskaufsteller wird der »Spiegel« beworben, auf dem Titel der Bischof. Ein italienisches Restaurant bietet seine neu kreierte Pizza »Bischof« an. »Für 24,70 Euro - gut belegt mit Gambas«, sagt der Mann der Inhaberin, Giuseppe Rizzo. Das Geld werde für einen guten Zweck gespendet, womöglich an eine Einrichtung für Kinder. Ein paar Schritte weiter vor dem Gasthaus »Zum Batzewert« lockt eine Tafel mit dem Angebot »Heute wieder Bischofsknödel 6,20 Euro«. Die rustikale Schankstube drinnen ist gut gefüllt, am Tresen sitzen ältere Herren über dem ersten Bier, sonores Kneipengemurmel ist zu hören.
Es verstummt, als im Radio die Nachrichten verlesen werden. In diesen Tagen gibt es kaum eine Nachrichtensendung, in der der Name Tebartz-van Elst nicht vorkommt.
Das Thema beherrscht die Stadt bis in die dunkelsten Ecken ihrer Kneipen. Susanne Karfmann steht hinterm Tresen und zapft Bier. Nein, die Knödel habe es auch schon vorher gegeben, das Rezept stamme vom Vorbesitzer des »Batzewerts«, aber ja, gerade seien sie sehr gefragt, erzählt sie. Das Besondere daran? »Sie sind mit Blut- und Leberwurst gefüllt. Dazu gibt's Sauerkraut und Specksoße.« Und der Bischof? Er tue ihr schon ein bisschen leid, sagt sie, die Hände in die Hüften gestemmt. »Wenn einer am Boden liegt, soll man net noch weitertreten.« Sagt es und nimmt die nächste Bestellung entgegen.
Eine Gasse weiter, in einem anderen kleinen Häuschen sticht Fritz Schlund gerade mit einer Kuchengabel in ein Stückchen Apfelstrudel. Er ist einer von jenen, die wegen des Bischofs hergekommen sind. Eigentlich wohne er in Mecklenburg-Vorpommern, aber man sei gerade auf Deutschlandtour, erzählt er. Auf dem Weg runter von der Autobahn in die Lahnstadt habe er sich noch sehr aufgeregt über den Prunk und die Verschwendung. So sehr, dass er überlegt habe, der katholischen Kirche für immer den Rücken zu kehren. Aber dann im Dom sei die Wut weg gewesen. »Ich bin immer noch tief bewegt«, sagt er. Die Schönheit der Stadt überwältige ihn. »Am Domberg sieht man überall beste Handwerkstradition. Da ist höchster Geschmack am Werk. Das kann ein Mann gar nicht alleine schaffen«, erklärt er bedeutungsvoll.
Die meisten Teilnehmer der Führungen durch die Altstadt fragten nun als erstes, wann man denn rauf zum Domberg gehe, sagt Stadtrat Stanke. Man muss durch die kleinen Gassen durch, an einem Edelstein-Geschäft mit Stimmungsringen in der Auslage vorbei, noch ein paar Stufen hoch, dann ragen sie plötzlich vor einem empor, der Dom und rechts daneben der Bischofssitz.
Ein Mann geht an der Mauer der Trutzburg vorbei und schimpft in tiefstem Oberbayerisch. »Der hat’s hing’stellt und g’sagt: Macht’s für 30 Millionen so hässlich wie möglich«, ruft er. Andreas Brunner - braune Haare mit blonder Strähne, Hornbrille und gepunktetes Hemd - erzählt, dass er auch mal katholisch gewesen sei, sogar vom damaligen Münchner Bischof Ratzinger gefirmt wurde (»Des is au so an elender Mensch«). Eigentlich aus der Nähe von München, aber gerade zu Besuch in der Nähe von Limburg sei er. »Und da wollt i mir des halt au mal anschaun. I hab’s mir noch viel voluminöser vorgestellt. Im Prinzip is es nur hässlich.« dpa/nd
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