Zufrieden mit der Zweiten Klasse
Vom Hoffnungsträger zum Nebendarsteller: Basketballer Jan-Hendrick Jagla hat eingesehen, dass die große Karriere an ihm vorbeigezogen ist
Vor vier Jahren galt Jan-Hendrick Jagla noch als Hoffnungsträger. Als der deutsche Basketballstar Dirk Nowitzki 2009 eine Pause in der Nationalmannschaft einlegte, war Jagla plötzlich der »Go-to-guy«. So nennen die Basketballer den Spieler, der den Ball bekommt, wenn es am Spielende eng wird. Jagla nahm also die letzten Würfe. Manchmal traf er sie sogar wie bei der EM 2009, als der damals noch in Spanien spielende Jagla Deutschland in die Zwischenrunde brachte. 2013 ist Jagla zu Alba Berlin nach Hause zurückgekehrt. Die große Bühne ist nicht mehr die des 32-Jährigen. Jagla gibt sich mit einer Nebenrolle zufrieden. Die »Go-to-guys« sind jünger als er.
Als der 23-jährige Kroate Leon Radosevic nach nur sieben Minuten Spielzeit im Spiel des zweitklassigen Eurocups gegen Saragossa umknickte, hätte der 2,13 Meter große Jagla in die Bresche springen können. Doch Albas Trainer Sasa Obradovic setzte am Mittwochabend lieber auf einen anderen 23-Jährigen Center: Jonas Wohlfarth-Bottermann erzielte in 25 Minuten 15 Punkte, Jagla in nur zehn Minuten gerade noch vier. Sauer ist er nicht darüber. Wozu auch? Alba hat gewonnen. »Der Sieg gegen so eine gute Mannschaft ist gut«, analysiert Jagla später nüchtern. »Aber wir machen noch zu viele Fehler, spielen nicht das, was wir wollen. Da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns.«
In der Tat läuft bei Alba noch nicht alles rund, auch wenn bislang nur ein Pflichtspiel knapp verloren wurde. »Wir haben das Glück, dass wir defensiv sehr gut spielen. Das hilft uns, viele unserer Probleme zu kaschieren.« Diese zu beheben dauere eine Weile, so Jagla: »Das geht nicht über Nacht. Nicht mal in drei Monaten. Selbst gute Mannschaften spielen ihren besten Basketball am Ende der Saison. Mit dieser jungen Mannschaft können wir nur hoffen, es bis zu den Playoffs hinzubekommen.«
An diesem Hinbekommen arbeitet Jagla selbst mit. »Wir Älteren sind dafür da, den jüngeren Spielern zu helfen, wenn sie in einem Tal stecken oder Fehler machen«, beschreibt er den Trainingsalltag. »Viele Dinge kommen erst durch Routine: 1000 mal gemacht, 5000 mal gesehen. Aber man kann Hinweise geben. Wenn die Jungen die im Spiel umsetzen, freut man sich auch ein bisschen.«
Ganz aufs Altenteil will Trainer Obradovic Jagla aber noch nicht abschieben. Die Rolle muss schon Kapitän Sven Schultze einnehmen, der auch gegen Saragossa nicht eingesetzt wurde. »Jan bringt eine Erfahrung mit, die wir auf dem Feld nutzen müssen. Er kann mit seiner Präsenz ein Spiel ändern«, lobt Obradovic. Gegenspieler könnten nur schwer über Jagla hinwegwerfen, und in der Offensive sei der sichere Distanzschütze immer eine Bedrohung. »Das lockt Verteidiger nach außen, was es den anderen Spielern wie Jonas leichter macht.«
An den vielen Punkten der Kollegen hat somit auch Jagla seinen Anteil, selbst wenn er keine eigenen sammelt. Und das sei ja auch nicht immer so, versichert der Flügelspieler. »In der Bundesliga habe ich schon eine Menge Dreipunktwürfe getroffen. Heute hatte ich aber nur eine offene Gelegenheit dazu, und es bringt nichts, das zu forcieren. Als älterer Spieler muss ich solide spielen und so wenige Fehler wie möglich machen«, spricht Jagla seinem Trainer aus dem Herzen. Der hat schon genug damit zu tun, die 23-Jährigen anzubrüllen, wenn die wieder mal die einstudierten Laufwege vergessen haben.
Im Eurocup reichen solche fehlerhaften Teamleistungen in Verbindung mit guten Einzelaktionen noch für Siege, in der Euroleague wäre Alba dafür bestraft worden. Angeblich ärgert sich Jagla auch nicht darüber, dass sein letzter Klub Bayern München in dieser Saison in der obersten Klasse gegen die ganz großen Klubs spielen darf. »Ich bin jetzt bei Alba und fühle mich hier wohl. Ich habe ein paar Jahre Euroleague gespielt und das alles schon mitgemacht. Ich denke, mit dieser jungen Mannschaft gehören wir in den Eurocup.«
Die Zweitklassigkeit gibt den Berlinern also Zeit für einen Neuaufbau, und Jagla hat erkannt, dass aus der ganz großen Karriere mit den ganz großen Titeln wohl nichts mehr wird. Da nimmt man auch mal in Kauf, von der Jugend hier und da verdrängt zu werden: »Manchmal spiele ich mehr, manchmal weniger. Das wusste ich von vornherein. Da viele junge Spieler in ihre Rollen noch hineinwachsen sollen, ist klar, dass sie immer wieder Chancen bekommen. Das Wichtige ist, dass ich da bin, wenn ich doch gebraucht werde.«
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