Abgeordnetenhaus stimmt für Ministadtwerk

Opposition kritisiert Abstimmung kurz vor dem Volksentscheid

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der Koalitionsmehrheit von SPD und CDU hat das Abgeordnetenhaus am Donnerstag den Senatsplänen für ein zukünftiges Stadtwerk zugestimmt. Die Opposition unterstützt dagegen weiter den Volksentscheid und prüft eine Klage gegen die Entscheidung.
Anhänger des Energietisch protestierten am Tag der Abstimmung vor dem Roten Rathaus.
Anhänger des Energietisch protestierten am Tag der Abstimmung vor dem Roten Rathaus.

Seit dem späten Donnerstag ist klar: Berlin bekommt auf jeden Fall ein eigenes Stadtwerk. Die Frage ist dabei nur, ob es sich um ein »Bonsai-Stadtwerk« handeln wird, wie LINKEN-Energieexperte Harald Wolf den Plan des Berliner Senates nennt oder ob sich die Bevölkerung zum Volksentscheid am 3. November für die Variante des Energietisches entscheidet. Mit den Stimmen von SPD und CDU votierte das Abgeordnetenhaus nach fast zweistündiger Debatte für den Stadtwerksentwurf des Senates, während die Fraktionen von Grünen, LINKEN und Piratenpartei erwartungsgemäß mit Nein stimmten.

In der zuvor geführten Debatte warfen sich die Koalitionsfraktionen und die Opposition gegenseitige Tricksereien und Täuschung der Wähler vor. Energieexperte Michael Schäfer (Grüne) attestierte dem Senat, keinen Respekt vor dem in wenigen Tagen anstehenden Volksentscheid zu besitzen. Der CDU-Abgeordnete Michael Garmer widersprach, der Senatsentwurf erfülle wesentliche Teile der Forderungen des Energietisches, indem das zukünftige Stadtwerk beispielsweise über einen Beirat verfügt, in den auch einfache Berliner Bürger mitarbeiten könnten. »Bekennen sie heute Abend Farbe«, forderte Daniel Buchholz (SPD) die Opposition auf. Die allerdings will auch weiterhin den Energieentscheid unterstützen, da sie das Senatsstadtwerk für unzureichend hält.

So reiche die geplante Anschubfinanzierung von zunächst veranschlagten 1,5 Millionen Euro jährlich nicht aus, damit das Stadtwerk in seine Kapazitäten investieren könne, erklärte Wolf. Die sind nach den Vorstellungen des Senats zunächst auf gerade einmal fünf Windkrafträder beschränkt. Der Energieexperte kritisierte in diesem Zusammenhang zudem, dass es dem künftigen Stadtwerk verboten sei, eigenständig Ökostrom am Markt einzukaufen. Mit den geplanten Kapazitäten könne das Stadtwerk dagegen niemals ausreichend Kunden gewinnen, um wachsen zu können, so Wolf. Immerhin: Die SPD kündigte im Verlauf der Debatte erneut an, sich in den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2014/15 für eine Erhöhung der Anschubfinanzierung gegenüber der CDU einzusetzen. Ob die sich allerdings überzeugen lässt, ist fraglich, da die für das Stadtwerk künftig zuständige Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) in der Vergangenheit wiederholt erklärt hatte, gegen jede Form der Rekommunalisierung zu sein. Vertreter des Energietisches nannten die Abstimmung im Abgeordnetenhaus deshalb bereits im Vorfeld eine »Farce« und Versuch des Senates, dem Volksentscheid kurz vor der Abstimmung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Für Aufregung hatte unmittelbar nach Beginn der Sitzung ein Antrag der LINKEN zur Einberufung des Ältestenrates gesorgt. Dabei handelte es sich um eine Reaktion auf das Verhalten von Rot-Schwarz am Mittwoch im Hauptausschuss, wo die Koalitionsparteien zunächst davon absahen, ihren Entwurf auf die Tagesordnung zu setzen. Kurz vor Ende der Sitzung setzte die rot-schwarze Mehrheit im Hauptausschuss das Stadtwerk allerdings doch wieder auf die Tagesordnung. Die Opposition erklärte, aus ihrer Sicht sei solch ein Vorgehen durch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses nicht gedeckt. LINKEN-Landeschef Klaus Lederer kündigte an, seine Partei werde prüfen, ob sie gegen die Entscheidung Klage beim Berliner Verfassungsgericht einreichen will.

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