Kirchenhilfswerk Caritas gegen einheitlichen Mindestlohn

Präsident Neher fordert nach Branchen und regional differenzierte Untergrenzen / 8,50 Euro im Nordosten angeblich »etwas ganz anderes« als in München

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Nach zahlreichen Wirtschaftslobbyisten und den Unternehmen nahestehenden Ökonomen hat sich jetzt auch die Caritas gegen einen einheitlichen und flächendeckenden Mindestlohn ausgesprochen.

Der Präsident des Hilfswerks der katholischen Kirche, Peter Neher, sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, jeder Mindestlohn müsse vor dem Hintergrund der Lage der Langzeitarbeitslosen bewertet werden. »Geschieht dies nicht, kann er zu mehr und nicht zu weniger Armut führen«, so Neher. Ein Mindestlohn bedeute die Gefahr, dass Menschen ihre Arbeit deshalb verlören oder künftig keine mehr erhielten, warnte der Caritas-Chef. Er halte es deshalb für »entscheidend«, dass es »nach Branchen und am besten auch regional differenzierte Lohnuntergrenzen« gebe.

Am Dienstag wollen die Unterhändler von CDU, CSU und SPD erstmals über die Themen Arbeit und Soziales beraten. Neher setzte sich mit seiner Forderung von der Haltung der SPD und der linken Opposition sowie der Gewerkschaften ab, welche einen bundesweit einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro verlangen und unter anderem auf die überall einheitlichen Preise verwiesen. »8,50 Euro bedeuten in Mecklenburg-Vorpommern etwas ganz anderes als in München«, entgegnete Neher.

Der Caritas-Präsident plädierte dafür, die Höhe von Mindestlöhnen nicht parlamentarisch oder allein durch die Tarifpartner festzulegen. Er schlug Kommissionen nach britischem Vorbild vor, in denen auch Wissenschaftler vertreten sein sollten. »Gewerkschaften kämpfen vorrangig für Menschen, die Arbeit haben und die ihre Mitglieder sind«, so Neher gegenüber der Zeitung. »Das ist völlig in Ordnung, aber beim Thema Mindestlohn müssen mehr Akteure beteiligt werden.« Schließlich könne man niemanden verpflichten, für einen beschlossenen Mindestlohn auch jemanden zu beschäftigen, warnte der Geistliche vor negativen Folgen für Menschen mit niedriger beruflicher Qualifikation.

Alle in der Caritas ausgehandelten Löhne liegen nach Nehers Worten mit Ausnahme der Fahrdienste weit über der von der SPD in den Koalitionsverhandlungen angepeilten Marke von 8,50 Euro. Auch sei der Wunsch nach einem Mindestlohn als Ausdruck des Bedürfnisses nach einem gerechten Lohn nachvollziehbar, führte Neher aus. Aber ein gesetzlicher, flächendeckender und einheitlicher Mindestlohn sei nicht in der Lage, alle Probleme zu lösen. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.