Große Koalition will auf Finanztransaktionssteuer drängen
Union und SPD verhandeln: Neun Arbeitsgruppen am Dienstag / Offenbar wenig Bewegung beim Thema Haushalt
Berlin. Die Verhandlungen von Union und SPD über die Bildung einer großen Koalition werden an diesem Dienstag auf breiter Front fortgesetzt. In Berlin kommen insgesamt sieben Arbeitsgruppen und zwei Unterarbeitsgruppen erstmals zusammen. Greifbare Ergebnisse sind noch nicht zu erwarten. Die Unterhändler dürften sich zunächst über die nächsten Sitzungstermine verständigen und einen Fahrplan aufstellen, wann welche Themen aufgerufen werden.
Eine erste Einigung gibt es zwischen Union und SPD in der Frage einer Finanztransaktionssteuer. Eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung werde sich für die rasche Einführung in Europa einsetzen. Angestrebt werde ein niedriger Steuersatz bei breiter Bemessungsgrundlage, um möglichst viele Börsengeschäfte von der Abgabe zu erfassen, hieß es. Das kommt nicht ganz überraschend: Deutschland und zehn weitere EU-Länder waren grundsätzlich für die umstrittene Abgabe. Die Verhandlungen in Brüssel stocken aber seit langem. Grund dafür sind auch rechtliche Bedenken.
In der Frage der Haushaltspolitik zeichnet sich derweil wenig Bewegung ab. SPD-Politiker von Bund und Ländern hatten vor den Verhandlungen betont, die Union müsse mögliche Verteilungsspielräume offenlegen. Fraktionsvize Joachim Poß sagte, einen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt für Maßnahmen werde seine Partei nicht akzeptieren können: »Für die Dinge, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel die Finanzierung der Infrastruktur, werden wir schon einen hohen Grad an Verbindlichkeit einfordern müssen.«
Ähnlich äußerten sich die SPD-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Norbert Walter-Borjans und Carsten Kühl. Ob auf Steuererhöhungen verzichtet werden könne, werde sich zeigen. Walter-Borjans sagte nach der ersten Gesprächsrunde: »Es ist vieles auf dem Tisch, es ist nichts vom Tisch.«
Als Hinweis auf die Lockerung des Sparkurses von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurden unterdessen Äußerungen aus dem Ministerium gedeutet: Dies verwies zwar auf den angestrebten dauerhaften Verzicht auf neue Kredite. Priorität soll aber die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung haben. Das, so die Nachrichtenagentur dpa, könne so verstanden werden, dass sich Schäuble offensichtlich von dem Ziel verabschiedet, 2015 mit dem Abbau von Schulden zu beginnen. Schäuble wollte in den Koalitionsverhandlungen einen dauerhaften Verzicht auf neue Schulden sowie eine Absage an Steuererhöhungen erreichen.
Der finanzielle Spielraum für eine schwarz-rote Koalition könnte sich indes vergrößern, da die Steuereinnahmen dank der Wirtschaftsentwicklung höher ausfallen dürften als zuletzt geschätzt. Bisher hat Schäuble im Bundesetat bis 2017 Überschüsse von insgesamt 15 Milliarden Euro unterstellt. Nach dem Entwurf für den Finanzplan will der Bund 2015 ohne neue Schulden auskommen - erstmals seit 1969. Dann wollte er auch mit dem Schuldenabbau beginnen.
Am Dienstag kommt außerdem die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales zusammen, die unter der Leitung der amtierenden Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles das große Streitthema gesetzlicher Mindestlohn am Dienstag noch nicht zur Sprache bringen dürfte. Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« strebt die SPD hier eine Übereinkunft bis Mitte November an. Man hoffe, dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig dann eine solche Vereinbarung präsentieren zu können, berichtete das Blatt unter Berufung auf Parteikreise. Außerdem gebe es die Hoffnung, in den nächsten drei Wochen weitere Vereinbarungen in der Arbeits- und Sozialpolitik auszuhandeln, etwa bei der Einschränkung von Leih- und Zeitarbeit.
Außerdem tagen in Berlin die Arbeitsgruppen Verkehr, Umwelt/Landwirtschaft, Inneres/Justiz, Wirtschaft, Gesundheit, Familie sowie die Unterarbeitsgruppen Verbraucherschutz und Migration/Integration. Der SPD-Verhandlungsführer für den Bereich Wohnen und Verkehr, Florian Pronold, sagte der »Mittelbayerischen Zeitung«, dass seine Partei vor allem den teilweise dramatischen Anstieg der Mieten in großen Städten bekämpfen will. Auch sollen Maklergebühren künftig von dem bezahlt werden, der einen Wohnungsvermittler bestellt hat und nicht automatisch vom Mieter.
In Düsseldorf will die SPD-Verhandlungsgruppe Energie unter Leitung von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihren Kurs festlegen. Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger, äußerte sich besorgt. Kraft scheine »die Interessen großer Industrieunternehmen wie RWE ernster zu nehmen als die Energiewende«, sagte er »Handelsblatt Online«. Damit behindere sie den Ausbau erneuerbarer Energien. dpa/nd
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