»Ja, auch ich werde meine Pflicht erfüllen!«

Ulla Plener untersucht das »tragische Dreieck«, in dem Kommunisten unter Stalin gefangen waren

Es ist nicht zu begreifen, warum es am Karl-Liebknecht-Haus keine Gedenktafel für die in Stalins Sowjetunion ermordeten deutschen Kommunisten geben soll. Der bereits vor fünf Jahren artikulierte Wunsch stößt auf immer neue Widerstände innerhalb der Linkspartei, darunter von Prominenten wie Hans Modrow und Ellen Brombacher. Die Bedenkenträger wollen das Gedenken auf den Sozialistenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde verbannen - wo es indes schon einen Stein des Anstoßes gibt, mit allgemein gefasster Inschrift, die als Erinnerung an alle »Opfer«, auch deutsche Kriegsverbrecher, interpretiert werden kann.

Den sich gegen die Tafel am Domizil des Parteivorstandes der KPD und der heutigen LINKEN beharrlich wie störrisch widersetzenden Genossen sei das neue Buch von Ulla Plener empfohlen, das an bekannte und weniger bekannte Kommunisten erinnert, die als Facharbeiter in die Sowjetunion gingen, um beim Aufbau des Sozialismus zu helfen, oder vor faschistischer Verfolgung in die UdSSR flohen und dort ihren antifaschistischen Kampf fortsetzten. Die sodann in die Mühlen des »Großen Terrors« gerieten und von der Führung ihrer Partei kaum Hilfe erwarten konnten. Auch weil diese selbst ohnmächtig respektive im Lügengespinst Stalinscher Ideologie- und Geheimdienstapparate gefangen und befangen war. Wobei hier angemerkt sei, dass gerade Ulla Plener nicht müde wird, immer wieder auf die mutigen Interventionen z. B. von Wilhelm Pieck zur Rettung von Inhaftierten hinzuweisen. Auch dies ein Grund für die Tafel am Haus, in dem auch jener einst ein- und ausging.

Seit über zwei Jahrzehnten spürt Plener Lebensläufen deutscher Kommunisten in der Sowjetunion nach, motiviert auch durch die eigene Familiengeschichte. Ihre Publikationen gehören zur Standardliteratur zum Thema, das nunmehr sechste Buch reiht sich da ein. Diesmal wollte die Berliner Historikerin explizit ergründen, wie Ideale, Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft auf so »ungeheure Art« missbraucht werden konnten, wie das stalinistische Parteiverständnis instrumentalisiert wurde, um Menschen zu brechen und Individualitäten auszulöschen, psychisch wie physisch.

Plener spricht vom »tragischen Dreieck«: Persönlichkeit, Bewegung und Parteiapparat. Die von ihr vorgestellten Kommunisten gehören zur Generation der um 1900 Geborenen, waren keine Berufsfunktionäre, sondern einfache Arbeiter oder Intellektuelle, die sich der kommunistischen Bewegung aus Überzeugung angeschlossen hatten und ihr bis ans Lebensende die Treue hielten. Sie strebten eine humane und friedliche Gesellschaft an, die jedem Menschen freie Entfaltungsmöglichkeiten bietet, frei von Ausbeutung und Ungerechtigkeit, und sie glaubten, diese Gesellschaft in der Sowjetunion heranreifen zu sehen. »Und sie waren bereit, dafür ihr Leben hinzugeben.«

Allerdings nicht derart, wie dann hunderttausendfach geschehen: in Sowjetgefängnissen und an Exekutionsorten des NKWD, in Arbeitslagern oder durch Auslieferung an Nazideutschland.

Erschütternd, was der noch nicht volljährige Herbert Hentschke in seinem Brief aus der Haft »an den Gen. Leiter der (NKWD-)Abteilung für meinen Fall« schrieb: Sein in den Spanienkrieg gezogener Vater habe ihm beim Abschied gesagt, er werde seine »proletarische Pflicht bis zum Ende erfüllen, und wenn es erforderlich ist, mit meinem Leben. ›Du als mein Sohn erfülle sie auch!‹ Und mit dem Komsomolzenwort antwortete ich Vater, der jetzt mutig an den Fronten Spaniens für den Sieg über die Faschisten kämpft, und Mutter, die im faschistischen Gefängnis sitzt: ›Ja, auch ich werde meine Pflicht als Proletariersohn erfüllen und, wenn es sein muss, ebenfalls ohne Zweifel mit dem Leben.‹« Erschütternd auch das hier abgedruckte Vernehmungsprotokoll des Drehers Richard Ulbricht (Pleners Großvater), der sich nicht schuldig bekannte und dennoch 1937 erschossen wurde. Dessen Frau Maria wandte sich »hochachtungsvoll« an Kominternchef Georgi Dimitroff: »Wie ich meinen Mann kenne, war er immer ein ehrliches Mitglied der Partei ... Im vollen Vertrauen zu den Organen des NKWD bitte ich um Ihre Hilfe bei der Überprüfung der Angelegenheit meines Mannes.« Sie erhielt keine Antwort.

Weitere Kommunisten, an die Ulla Plener erinnert, sind Joseph Schneider, Teilnehmer an der deutschen Novemberrevolution, aktiv in der Internationalen Arbeiterhilfe IAH, gestorben in einem Arbeitslager, sowie Mirko Beer, Chirurg im Spanienkrieg, 1942 vom NKWD erschossen, und der Reformpädagoge Helmut Schinkel. Ebenso Karla Flach (»Mein schweres, freudloses Leben«), die in der DDR vergebens um ihre Rehabilitierung kämpfte, und Wanda Bronska-Pampuch, die zur Minderheit jener Kommunisten gehörte, die aus Enttäuschung über erlittenes Unrecht mit der Bewegung brachen. Abschließend bietet die Autorin Thesen für eine exaktere Definition des ambivalenten, allzu beliebig gebrauchten Begriffs »Stalinismus«.

Ulla Plener nennt die Stalinschen Repressalien »konterrevolutionären Terror«, antisozialistisch und antikommunistisch. Sie plädiert für die Anbringung der Gedenktafel am K-L-Haus.

Ulla Plener: Kommunisten im tragischen Dreieck: Persönlichkeit - Bewegung - Partei. Nora-Verlag, Berlin. 278 S., br., 22 €

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