Rückbauplan für Brunsbüttel bleibt vage
Vattenfall legt Konzept zur Demontage des AKW vor
Das Atomkraftwerk von Brunsbüttel in Schleswig-Holstein liefert wegen des erklärten Atomausstiegs zwar keinen Strom mehr, doch die Gemüter wird es wohl noch länger erhitzen. Nachdem bereits vor einem Jahr der Rückbau des Siedewasserreaktors durch den Betreiber Vattenfall angekündigt worden war, legte der schwedische Konzern am Mittwoch den Sicherheitsbericht der Atomaufsicht in Kiel vor. Gleichwohl bleiben Fragen beim Rückbau des Meilers offen.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sowie Pieter Wasmuth, Geschäftsführer der Vattenfall Nuclear Energy GmbH, erläuterten das Rückbauszenario - indes mit vagem Fahrplan. Denn abhängig ist die schrittweise Demontage auch von anderen Handelnden. Bis am jetzigen AKW-Standort wieder Kühe grasen können, dürften wohl rund 20 Jahre vergehen.
Habeck sprach daher auch von einem Generationenprojekt. Frühestens 2017 soll demnach mit dem Abriss der 300 000 Tonnen an Materialien begonnen werden. 93 Prozent davon seien radioaktiv unbedenklich. Laut Wasmuth soll vieles, wie etwa Stahl oder Aluminium, recycelt werden. Der Umweltminister sieht indes als Problem, dass vieles »psychologisch wegen des Herkunftsortes belastet« sei. Dafür dürften sich kaum Deponien als Abnehmer finden lassen. Das zeigt auch der Fall der Sondermüllkippe Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern. Dort laufen Umweltschützer Sturm gegen die angelieferten Entsorgungsmaterialien aus dem stillgelegten Atomreaktor Lubmin.
Hinzukommt noch ein weiteres Problem. Völlig unklar ist die Zwischenlagerfrage, weil sich noch ein Verfahren in der Schwebe befindet. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte im Juni die Genehmigung für das Einlagern von Atommüll auf dem AKW-Gelände in Brunsbüttel für unzulässig erklärt. Gegen die ausgesprochene Nichtzulassung einer Revision haben das Bundesamt für Strahlenschutz und Vattenfall Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Sollte das Schleswiger Urteil Bestand haben, wäre das aus Habecks Sicht ein »mittleres atompolitisches Erdbeben«. Schließlich seien im Norden alle zertifizierten Zwischenlager baugleich mit Brunsbüttel und »im Süden haben sie noch weniger Beton verbaut«, so der Minister.
Unabhängig davon wirft bereits die Brennelemente-Entsorgung Probleme auf. Offen ist, wann die dafür benötigten elf Castoren zur Verfügung stehen werden.Bundesweit gibt es derzeit eine größere Nachfrage nach den Spezialbehältern von der diesbezüglich mit einer Monopolstellung behafteten Gesellschaft für Nuklear-Service (Essen), als dort hergestellt werden können. Ohne geklärten Atommüll-Endlagerstandort werden vermehrt Castoren für die Zwischenlagerung benötigt. Statt 40 bis 50 jährlich ist der bundesweite Bedarf auf 80 hochgeschnellt. Und weil sich Vattenfall auch nicht auf die vorgesehene Fertigstellung von Schacht Konrad als Lagerstätte für schwach und mittelaktiven Atommüll verlassen will, sieht der vorgelegte Sicherungsplan im Zusammenhang mit dem Rückbau in Brunsbüttel die Errichtung einer neuen Lagerhalle für diese Kategorie an Müll auf dem AKW-Gelände vor. Der energiepolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion in Kiel, Detlef Matthiessen, befürchtet, dass es vor Ort keine Akzeptanz für diese Pläne geben wird.
Immerhin versicherte Vattenfall, dass es für die Demontage in Brunsbüttel über ausreichend finanzielle Mittel verfüge. Warum es aber noch keine Aussage über die Abwicklung des Atommeilers Krümmel gebe - dazu kein Wort von Vattenfall-Geschäftsführer Wasmuth. Er erwähnte allerdings, dass das Energieunternehmen beim Bundesverfassungsgericht juristisch vorstellig geworden sei und sich beim internationalen Gericht für Investitionsstreitigkeiten in Washington eine Entschädigung nach dem erklärten Atomausstieg erhoffe.
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