Auch britische Botschaft in Berlin ein Horchposten

»Independent« berichtet über mögliche Abhörstation / GSHQ spioniert auch in anderen Vertretungen / Spähopfer Brasilien nun selbst unter Verdacht

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Berlin. Die Diskussion über das gegenseitige Ausspähen von Staaten geht mit immer neuen Enthüllungen in die nächste Runde. Wie der »Independent« berichtet, soll auf dem Dach der Berliner Botschaft Großbritanniens mitten im Regierungsviertel der Hauptstadt ein Horchposten installiert sein. Die Zeitung beruft sich auf Dokumente des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.

Durch den Whistleblower bekannt gewordene Dokumente und Luftaufnahmen würden dem Bericht zufolge nahelegen, dass der britische Geheimdienst eine verdeckte Abhörstation betreibt. Auf dem Gelände der diplomatischen Vertretung sei zudem ein zylinderförmiges Bauwerk entdeckt worden, das zu Spähzwecken dienen könne. Wie der »Independent« weiter berichtet, betreibe der britische Geheimdienst GCHQ auch Überwachungsposten in anderen diplomatischen Vertretungen weltweit.

Derweil wurde bekannt, dass Brasilien, das sich heftig über die Ausspähung durch den US-Geheimdienst NSA beschwert hat, selbst nicht nur die USA, sondern auch Russland sowie den Iran und den Irak ausspioniert hat. Wie die Zeitung »Folha de São Paulo« unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Dokument des brasilianischen Geheimdiensts Abin berichtet, habe es Spähaktionen mindestens zwischen 2003 und 2004 während der ersten Amtszeit des damaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva gegeben.

Dem Dokument zufolge wurden unter anderem Räume in der US-Botschaft in Brasilia überwacht. Auch russische Militärangehörige und Moskaus früherer Generalkonsul in Rio, Anatoli Kaschuba, wurden ausgespäht. Weiteres Ziel von Überwachungsmaßnahmen war demnach der damalige iranische Botschafter in Kuba, Seyed Davood Mohseni Salehi Monfared, während seines Brasilien-Besuchs im April 2004. Ausspioniert wurde außerdem die irakische Botschaft kurz nach dem US-Einmarsch im Irak im Jahr 2003.

Das Ausmaß der Ausspähaktionen in Brasilien durch den US-Geheimdienst NSA ist allerdings erheblich viel größer als das von Abin. Aus Informationen des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden geht hervor, dass die NSA Telefonate und Internetkommunikation bis hin zur brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff und ihrer Mitarbeiter überwachte. Auch das staatliche brasilianische Erdölunternehmen wurde ausspioniert.

Rousseff prangerte bei der UN-Generaldebatte im Oktober die Spionage durch die USA an und sagte einen geplanten Besuch in Washington aus Protest ab. Zu den Enthüllungen der »Folha de São Paulo« erklärte das Büro der Präsidentin, es handele sich um »Operationen der Gegenspionage« vor einem Jahrzehnt. Diese seien legal und »zum Schutz der nationalen Interessen« erfolgt. Die Zeitung habe keine Kopien der betreffenden Dokumente geschickt, deshalb habe deren Authentizität nicht überprüft werden können.

Derweil halten sich die Bundesregierung und die Spitzen der deutschen Geheimdienste zum Stand der Verhandlungen mit den USA über ein Anti-Spionage-Abkommen bedeckt. Die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesamt für Verfassungsschutz, Gerhard Schindler und Hans-Georg Maaßen, haben nach dpa-Informationen vom Dienstag am Montag (Ortszeit) in Washington mit dem Chef des umstrittenen US-Geheimdienstes NSA, Keith Alexander, gesprochen. Es ging um Konsequenzen aus dem NSA-Skandal und dem abgehörten Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zu konkreten Ergebnissen werde man sich nicht äußern, hieß es in Sicherheitskreisen.

Unklar war zunächst auch, ob Schindler und Maaßen wie geplant mit US-Geheimdienstdirektor James Clapper sprechen konnten. Betont wurde, dass beide am Mittwochmorgen das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste über die Ergebnisse ihrer USA-Reise informieren wollen. Bei der Sitzung will außerdem der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele über sein Treffen mit dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden berichten. Durch die Enthüllungen Snowdens war die NSA-Affäre ins Rollen gekommen. Agenturen/nd

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