Kleine Gemeinheiten
Christian Ströbele brachte den Fall Snowden in den Bundestag - viel weiter noch nicht
Herr Ströbele, was haben Sie eigentlich gegen die USA? Interviews mit dem Bundestagsabgeordneten, die so beginnen, lassen ahnen, dass sich der eigenwillige Grüne mit dem achtlos frisierten Weißhaarschopf mit seiner Tour nach Moskau nicht nur Freunde gemacht hat. Am Mittwoch sagte der Grünen-Veteran vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages aus, und auch wenn Details aus dem geheim tagenden Gremium nicht zu erfahren sind, ist doch klar, worum es ging. Und auch, wo Ströbele Widerstände entgegenschlagen.
In anschließenden Äußerungen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wurde das ebenso deutlich wie aus dem Mund von Regierungssprecher Steffen Seibert. Whistleblower Edward Snowden habe in Deutschland kein Recht auf politisches Asyl, so Friedrich. Er sei kein politisch Verfolgter; stattdessen werde er der Verletzung US-amerikanischer Strafgesetze beschuldigt.
Eine Befragung Snowdens durch den Bundestag oder durch den Generalbundesanwalt in Russland soll nun geprüft werden. Und Seibert fügte offenherzig hinzu, wie wichtig der Bundesregierung die guten Beziehungen zu den USA seien. Washington hat bekanntlich einen Haftbefehl gegen Snowden ausgestellt. Dagegen machte Ströbele auch am Mittwoch deutlich, dass es natürlich politische Gründe sind, die Snowden in Konflikt mit seiner Regierung getrieben haben. »Selbstverständlich kann man Herrn Snowden in Deutschland aufnehmen, und selbstverständlich kann man davon absehen, ihn auszuliefern«, sagte der Grünen-Politiker. »Man muss es nur wollen.«
Weniger eindeutig äußerte sich erneut der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann. Die Bundesregierung müsse eine Vernehmung in Moskau prüfen, bei der Snowden nicht in Schwierigkeiten gebracht werde, so Oppermann, dem bereits Ambitionen auf das Amt des Bundesinnenministers nachgesagt werden. Wie machtlos ein deutscher Innenminister ist, davon hat Oppermann wenigstens eine deutliche Ahnung, wie es scheint: »Man kann Snowden nicht nach Deutschland einladen, wenn man hinterher nicht ausschließen kann, dass er ausgeliefert wird.«
In den Details über die Umstände, unter denen Snowden in Moskau aussagen könnte, und ob dies der Wahrheit dienlich wäre oder nicht, darin lag gerade eine der offenen Fragen, die Christian Ströbele vor dem Gremium hätte klarer machen wollen. Offenbar ist er mit dem Wunsch des Amerikaners, lieber in Deutschland auszusagen und dies mit einem Aufenthaltstitel hier oder in einem anderen EU-Land zu verbinden, nicht durchgedrungen. Dennoch zeigte sich Ströbele anschließend »fast zufrieden«. Offenbar sieht er alle Beteiligten der Erkenntnis nunmehr näher gekommen, dass es kein Ausweichen mehr gibt. Die Bundesregierung steht vor der unaufschiebbaren Frage, wie sie, in aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgegeben, ihr ramponiertes Bild korrigieren will. Und Snowden hat dazu ein Angebot unterbreitet. Dieses auszuschlagen, würde die Kalamität für die Bundeskanzlerin nur vergrößern.
Ströbele hat für die Offenlegung dieser Tatsachen keine Dankbarkeit zu erwarten. Doch kleine Gemeinheiten wie die des Parlamentarischen Geschäftsführers der Union, Michael Grosse-Brömer, der ihn als »Briefträger« Snowdens bezeichnete, ändern nichts daran, dass Ströbele es war, der die Debatte angefacht hat. Gegen die Wahrheit lässt sich schlecht argumentieren. Ströbele jedenfalls nimmt gewöhnlich keine Rücksicht darauf, ob und bei wem er mit seinen zuweilen störrischen Auffassungen aneckt. Nicht einmal auf sich selbst. Mit dem Vorwurf der Geltungssucht muss er deshalb nun leben.
Unterdessen läuft die Freundschaftsdiplomatie in Richtung USA auf Hochtouren. Im Kontrollgremium ging es am Mittwoch auch um den Stand von Verhandlungen über ein Spionageverbotsabkommen. Einzelheiten wurden bislang nicht publik.
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