Seit mehreren Jahren wird über das Sterben der in Indien, Pakistan und Nepal lebenden Geier berichtet. In den letzten 15 Jahren schrumpfte ihr Bestand um 97 Prozent.
Anfangs war vermutet worden, eine ansteckende Krankheit sei die Ursache, bei der zunächst die Nieren versagen und in der Folge die nicht mehr ausgeschiedene Harnsäure die inneren Organe schädigt. Seit 2003 weiß man jedoch, dass das gegen verschiedene entzündliche Krankheiten bei Rindern massenhaft angewandte Medikament Diclofenac für die Vögel Gift ist. Indien beschloss deshalb im März 2005, die Anwendung des Präparates nur noch 6 Monate lang zu gestatten. In Bangladesh und Nepal gibt es noch keine derartige Bestimmung, und in Indien wird man wohl damit rechnen müssen, dass es über den genannten Termin hinaus geraume Zeit dauern wird, bis alle Bestände aufgebraucht sind. Doch ein solches Verbot ist praktisch nur durchsetzbar, wenn man den Tierhaltern eine wirksame und billige Alternative anbieten kann, die für die Geier ungefährlich ist. Nun hat ein internationales Forscherteam um Gerry Swan von der Universität Pretoria (Südafrika) in dem Fachjournal »PLoS Biology« (31. Januar 2006) ein solches Tiermedikament vorgestellt, den Wirkstoff Meloxicam. Damit gibt es für die betroffenen Arten, den Bengalgeier (Gyps bengalensis), den Dünnschnabelgeiers (G. indicus) und den Schmalschnabelgeiers (G. tenuirostris) einen Hoffnungsschimmer.
Das Verschwinden der Aasfresser hätte nicht nur einschneidende Konsequenzen für das Ökosystem. Über ganz andere Konsequenzen des Geiersterbens berichtete Simon D. Pollard ( »Nature Australia« Summer 2004/2005 S. 68-69). Ein besonderes Problem gibt es für die Religionsgemeinschaft der Parsen, deren Glaube keine Erd-, Feuer- oder Wasserbestattung zulässt. Seit mehr als 400 Jahren werden ihre Leichen in Mumbai (Bombay) auf zu diesem Zweck errichteten »Türmen des Schweigens« den Geiern zur »Luftbestattung« dargeboten. Jetzt behilft man sich damit, die Zersetzung der Leichen durch zusätzliche Erwärmung mit Hilfe von Sonnenkollektoren zu beschleunigen.
Religiöse Traditionen sind auch bei den Hindus im Spiel. Die so genannten heiligen Kühe, bei denen es sich faktisch um nach Ende ihrer Nutzbarkeit ausgestoßene Tiere handelt, überließ man nach dem Tode den wartenden Geiern, und es wird berichtet, dass 100 bis 150 Geier binnen 20 Minuten nur noch das Skelett einer Kuh übrig ließen. Heute sind an die Stelle der Geier Tausende herrenloser und potenziell tollwutinfizierter Hunde getreten, die sich an den Sammelplätzen mästen und sich an Ort und Stelle rund ums Jahr fortpflanzen. Offensichtlich vertragen sie das Präparat ebenso gut wie die Rinder.
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