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Hasst der Brite die Deutschen?

Vorurteile und die Chancen zu ihrer Überwindung Von Ian King, London

  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den Straßen der Universitätsstadt klang es ganz anders. Als BBC-Reporter Passanten dort fragten, was ihnen beim Thema Deutschland einfalle, schallte es ihnen entgegen: Hitler, Nazis, Weltkriege, bestenfalls der englische Sieg bei der Fußball-WM 1966. Bleiben unsere Völker einander trotz Tony und Gerd in herzlicher Feindschaft verbunden? In Cowley bei Oxford befindet sich ein Autowerk der Rover-Gruppe. Hier drohen durch den BMW-Frühlingsschlussverkauf des britischen Autobauers zwar noch keine Massenentlassungen wie im Hauptwerk Longbridge bei Birmingham, aber antideutsche Stimmungen in der Stadt der träumenden Kirchtürme macht das vielleicht verständlich. Überdies gaben die Befragten Vorurteile wieder, die in der Bevölkerung durchaus verbreitet sind.

Gründe für antideutsche Gefühle finden sich immer, wobei weder der zwischen sozialer Gerechtigkeit und neuer Mitte lavierende Kanzler noch die peinlichen Spendenskandale der CDU eine entscheidende Rolle spielen. Auch die verspätete Aufhebung des deutschen Importverbots für britisches Rindfleisch hat höchstens symbolische Bedeutung. Vielmehr geht es um die gekränkte britische Seele, die den Krieg gewann, den Frieden verlor und viele Fußballspiele dazu.

Schon in den 60er Jahren stellte USA- Außenminister Dean Acheson fest, Britannien habe ein Weltreich verloren und noch keine neue Rolle gefunden. Auch der EG-Beitritt löste weder die wirtschaftlichen Probleme noch die tiefere Sinnfrage: Noch 1999 gelang Konservativenchef William Hague das Kunststück, einen Europawahlkampf mit antieuropäischen Parolen zu gewinnen. Auf Deutschland als historischen Gegner und erfolgreichsten EU-Staat konzentriert sich diese antieuropäische Stimmung. Margaret Thatcher hielt die Deutschen einige Monate vor der Wiedervereinigung für arrogant, anmaßend und rücksichtslos, und viele Landsleute stimmen der Eisernen Lady zu.

Doch gibt es auch Zeichen der Hoffnung. Vor einer Generation wäre es undenkbar gewesen, dass eine in Sichtweite des BMW-Hochhauses Geborene britische Gesundheitsstaatssekretärin wird. Gisela Stuart, die einen Wahlkreis im Süden von Birmingham vertritt, leugnet die von den Rover-Mitarbeitern empfundene tiefe Wut gegenüber dem Vorstand in München nicht. Trotzdem sei ihr auf Protestver Sammlungen keine Deutschlandfeindlichkeit entgegengeschlagen, sagt sie. Willie Paterson, Direktor eines angesehenen Deutschland-Instituts, sekundiert. Die Rover-Belegschaft hätte schließlich nichts lieber gesehen als eine Übernahme des Unternehmens durch VW, die ihre Ar beitsplätze vielleicht gerettet hätte.

Ein anderer Teilnehmer der Tagung in Oxford, der ehemalige deutsche Botschafter in London, von Richthofen, gibt der britischen Boulevardpresse wegen antideutscher Hetzkampagnen ein gerüttelt Maß Schuld: Es sei endlich Zeit, sich mit Stärken und Schwächen des heutigen Deutschlands zu befassen und voneinander zu lernen. Die Berliner freuten sich über die vom britischen Architekten Sir Norman Foster entworfene Reichstagskuppel - das sei ein guter Anfang.

Doch vielleicht bessern sich die Beziehungen dadurch, dass in den nächsten Monaten ein sehnlicher Wunsch vieler Engländer in Erfüllung geht: Bei der EM und in der WM-Qualifikatiönsgruppe stehen sich die Fußballer drei Mal gegenüber, und die bundesdeutschen Kicker befinden sich nicht gerade in überzeugender Form, Eine Chance für englische Siege und den Abbau der Ressentiments?

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