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EM Uni-Kinderklinik ohne den Namen Jussuf Ibrahim

Kommission. Arzt überantwortete Kinder gezielter Tötung Von Peter Liebers, Jena

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Jenaer Universitätskinderklinik wird künftig nicht mehr den Namen ihres langjährigen Direktors, des Kinderarztes Prof. Jussuf Ibrahim, tragen. Das beschlossen der Senat der Friedrich- Schiller-Universität und die Medizinische Fakultät auf der Grundlage der Arbeitser gebnisse einer Kommission, die Ibrahims Beteiligung am nationalsozialistischen Euthanasieprogramm untersucht hatte.

Der Senat habe den Bericht mit tiefer Betroffenheit zur Kenntnis genommen, sagte Rektor Prof. Georg Machnik gestern in Jena. Die Universität gedenke in tiefer Trauer der Kinder und aller Opfer, die durch tätige Mitwirkung von Wissenschaftlern der Jenaer und anderer Universitäten ihr Leben verloren haben, heißt es im Senatsbeschluss. Mit Nachdruck werde deshalb die Bereitschaft aller Fakultäten und Einrichtungen unterstützt, die der Erforschung der nationalsozialistischen Vergangenheit sowie des Umgangs mit ihr verstärkte Aufmerksamkeit schenken. Die Fakultät betont in ihrem Beschluss die Verpflichtung, «weiterhin und systematisch allen noch nicht aufgeklärten Verbrechen nachzugehen.» Die Jenaer Universität galt in der Nazi-Zeit als eine Hochburg der «Rassenhygieniker». In einer Kurzfassung des Kommissionsberichtes heißt es, Ibrahim habe seit 1943 gewusst, dass in der Kinderfachabteilung in Stadtroda Schwerstgeschädigte Kinder getötet wurden. Unter seiner Verantwor tung seien dennoch zwischen 1941 und 1945 sieben solcher Kinder nach Stadtroda überwiesen worden. Zwei handschriftliche Überweisungen enthielten offen den Vorschlag «Euthanasie». Obwohl er die Praxis der nationalsozialistischen Ver nichtung «lebensunwerten Lebens» frühzeitig gekannt habe, habe er Kinder der gezielten Tötung überantwortet.

Die Kommission zog daraus den Schluss, dass Ibrahim diese Praxis nicht nur befürwortet, sondern unmittelbar dazu beigetragen hat und betont, das stehe im offensichtlichen Widerspruch zu dem Bild Ibrahims als vorbildlicher Arzt. Zugleich wird eingeräumt, dass weitere For schungen «dringend erforderlich» sind. Nach Angaben des Kommissionsvorsitzenden Prof. Klaus Dicke wurden keine Arbeiten Ibrahims zur Euthanasie gefunden. In seinen Arbeiten gebe es aber Hinweise auf eine positive Haltung zur Euthanasie Schwerstgeschädigter Kinder, sagte er auf ND-Nachfrage. Der Kommission ging es Dicke zufolge nicht um das Profil der Gesamtpersönlichkeit Ibrahims, sondern nur um die Dokumenten- und Faktenlage. Dazu wurden Unterlagen aus Archiven, Schriften Ibrahims und Zeitschriften aus der NS-Zeit sowie über 60 Zuschriften von Zeitzeugen ausgewertet.

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