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Flieger-Ass stürzt ab

Ernst Udet, des Teufels General

  • Julius Waldschmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Montag, 17. November 1941. Eine neue Kriegswoche hat begonnen. In London und Berlin sind Luftangriffe längst Alltag. Später wird man lesen, dass in jenem Jahr auf England 21858 Tonnen und auf Deutschland 30000 Tonnen Bomben ausgeklinkt wurden. Vierzehn Monate zuvor hatte Hitler befohlen, in Vorbereitung der Operation »Seelöwe« die englischen Luftstreitkräfte »möglichst bald niederzukämpfen«. Die Schlagkraft der Verteidiger machte das unmöglich. Die Royal Air Force (RAF) und die Bodentruppen brachten mindestens 1700 deutsche Flugzeuge zum Absturz. Seit dem 31.Juli 1941 hat SS-Obergruppenführer Heydrich den Auftrag Görings, Maßnahmen zur »angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen«. Ab 1.September müssen deutsche Juden den gelben Stern tragen, der sie vollends als »Freiwild« ausweist. Und am 13.November - da formieren sich an den Fronten um Moskau bereits die Divisionen, um die Angreifer in die Niederlage zu zwingen - berät General Franz Halder mit den Stabschefs der deutschen Ostfront-Verbände, »ob das erhoffte Ziel des Jahres 1941 erreicht worden ist«. Man habe den Gegner unterschätzt und fange an, »Siege« herbeizuträumen. An jenem Montag, dem 17. November 1941, löscht Generaloberst Ernst Udet (45), »Luftzeugmeister« im Göring-Ministerium, mit der Pistole sein Leben aus. Er erschießt sich in seiner Wohnung an der Stallupöner Allee, südlich der Berliner Heerstraße. Wie ein Blitz schlägt die Nachricht ein. Der Bevölkerung, die Udet vor allem als wagemutigen Sportflieger kennt, ja verehrt, wird aus dem Propagandaministerium am Wilhelmplatz erklärt, der kleine drahtige Mann, Ende 1918 mit 62Abschüssen Spitzenpilot der kaiserlichen Armee, sei bei Erprobung eines neuen Kampfflugzeuges abgestürzt. Kein Wort über die chaotischen Leitungsmethoden des Toten. Das deutsche Oberkommando, so 1990 das US-»Dictionary of the Second World War«, habe 1941 mehr über die Produktion von Militärmaschinen in den USA als über die eigene gewusst. Am 20.November diktiert Goebbels der Sekretärin für das Tagebuch: »Udets Tod wird von der feindlichen Propaganda weidlich ausgeschlachtet... Auch im Inland wird der Fall Udet sehr umfangreich diskutiert«. Als die Trauerkundgebung in Anwesenheit Hitlers und der alten Mutter mit Glanz und Salut vorbeigerauscht ist, notiert Goebbels: »Udet hat das verdient. Er war eine außerordentlich sympathische und mitreißende Persönlichkeit.«. War das wirklich die ganze Wahrheit? Hatte man nicht Udet zum Sündenbock für die Verluste am Himmel über Britannien und der UdSSR deklariert? In den »goldenen zwanziger Jahren« hatte der, nach dem Fiasko mit einer Flugzeugbau-Firma und nach zwei missglückten Ehen, eine höchst unmilitärische Laufbahn eingeschlagen. War er nicht wie ein Stern am deutschen Film-Himmel aufgestiegen, über den Mont Blanc, über Grönland und die Weiten Afrikas geflogen? Hatte er nicht am 28.Februar 1928 seine kleine Maschine auf dem Zugspitz-Platt aufgesetzt? Hatte er nicht den Schauspieler Heinz Rühmann und den Ozean-Flieger Charles Lindbergh als Freunde gewonnen, nicht zu vergessen den Kriegskameraden Carl Zuckmayer, mit dem er sich im Berlin der XI.Olympischen Spiele, also 1936, heimlich und in schlichtem Zivil zum letzten Male treffen sollte? Ihm gestand Udet »Ich bin der Luftfahrt verfallen... Aber eines Tages wird uns alle der Teufel holen.« Dieser Satz könnte entschlüsseln, warum ein Ernst Udet die Uniform der Göringschen Luftwaffe 1935 anzog und dem Nazi-Reich diente. Seine Worte blieben Zuckmayer im Gedächtnis, als im Winter 1943/ 44 »Des Teufels General« in den Grünen Bergen von Vermont, seinem Aufenthaltsort in den USA, entstand...

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