Mordaufruf gegen Gewerkschafter in Elmshorn
Bei der Bürgermeisterin Brigitte Fronzek (SPD) wurde eine Scheibe eingeworfen / Polizei leitete Schutzmaßnahmen ein
Von Frank Wieding, Hamburg
Eine Stadt wehrt sich: Seit Monaten ver üben Rechtsradikale Sachbeschädigungen im schleswig-holsteinischen Elmshorn, verbreiten Psycho-Terror. Als Hintermänner der militanten Aktionen wer den die braunen Propagandisten des »Hamburger Sturms« und der »Freien Nationalisten« vermutet.
Vereine, Firmen, Schulen und Gewerkschaften von Elmshorn haben sich zum »Bündnis gegen Neonazis« zusammengeschlossen. Die Liste der Nazi-Aktionen in der 50000-Einwohner Stadt vor den nördlichen Toren Hamburgs ist lang: Hakenkreuz-Schmierereien, Hetzplakate gegen Juden, die Gedenktafel zur »Selbstbefreiung vom Nationalsozialismus« wurde zerstört. Am Privathaus der Bürgermeisterin von Elmshorn, Dr. Brigitte Fronzek (SPD), klirrte eine Scheibe, vor der Tür lagen Stahlkrampen. Mitglieder des Anti-Nazi-Bündnisses bekamen Drohbriefe: »Wir kriegen Euch alle - Nationaler Widerstand Elmshorn« stand darin geschrieben. Dem war noch eine NPD-Zeitung beigelegt. Und immer wieder ist das Elmshorner Büro der IG-Metall Ziel der rechten Gewalt. Vorläufiger Höhepunkt: An der Autobahn 23 hingen Spruchbänder, auf denen für den Kreisvorsitzenden der IG-Metall, Uwe Zabel, ein »Kopfgeld« von 10000 Mark ausgesetzt wird - »tot oder lebendig«. Das Landeskriminalamt Kiel hat inzwischen »Schutzmaßnahmen eingeleitet«, bestätigte Sprecher Matthias Hennig.
Frank Teichmüller, Chef der IG Metall Küste, reicht das nicht: »Die rechtsradikalen Organisationen müssen verboten werden«, forderte er. In einer Broschüre haben ÖTV und IG Metall dokumentiert, »in welchem Netzwerk der Gewalt sich die Neonazis bewegen«, so Teichmüller. So wurde ein rechter Marsch im Februar in Elmshorn unter dem Deckmantel der NPD-Jugend von Klemens Otto angemeldet, der dem so genannten »Pinneberger Sturm« angehört. Otto wurde 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er am Pinneber ger Bahnhof mit anderen Skinheads einen Togolesen zusammengeschlagen hatte. Otte pflegt unter anderem gute Kontakte nach Hamburg zu dem ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen »Nationalen Liste«, Thomas Wulff. Und zu Peter Borchert vom »Flensburger Sturm«, einem der zahlreichen lokalen Sammelbecken für Rechtsradikale in Schleswig-Holstein.
Borchert saß mehrere Jahre wegen Kör perverletzung und versuchten Totschlags im Gefängnis und wird von der Gewerk schaft als »Mitorganisator des Aufmar sches in Elmshorn« geoutet.- Und auch Thorsten de Vries, der Gründer des 1992 verbotenen »Deutscher Kameradschaftsbund«, marschierte in Elmshorn auf. Im April des vergangenen Jahres redete er auf einer Nazi-Demo gegen ein Rock gegen Rechts-Konzert der IG Metall-Jugend.
Schon 1992 machten Neonazis Front gegen Gewerkschafter. Damals gegen den Wilhelmshavener Vorsitzenden des DGB, Manfred Klöpper. Der Kameradschaftsbund verteilte Flugblätter mit einem »Steckbrief« Klöppers, nachdem dieser Mitorganisator einer Demonstration gegen eine Kundgebung der braunen »Kameraden« war. Als der DGB im Dezember 1999 in Hamburg-Bergedorf zu einer Ver anstaltung zum Thema Neonazis einlud, erschienen der »Hamburger Sturm« unter Führung von Jan Steffen Holthusen und der »Sturm 15 Lohbrügge«. Später wur den auch in Bergedorf rechte Drohbriefe verschickt. Ideologisch und strategisch stehen seit Mitte der 90er Jahre hinter all den norddeutschen Aufmärschen die »Freien Nationalisten« um Christian Worch, die als Nachfolgeorganisation der 1995 verbotenen »Nationalen Liste«, der »Aktionsfront Nationaler Sozialisten« und der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiter partei« (FAP) zu sehen sind. Um weiteren Verboten zu entgehen, entstanden neben den »Nationalisten« und dem »Aktionsbüro Norddeutschland« kleine lokale Gruppen, wie der »Hamburger-« oder »Flensburger Sturm«.
Der Leiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein, Michael Wolf, beziffert die Zahl der »bekennenden Rechtsextremisten in Deutschland« auf 50000 Personen. In Schleswig-Holstein seien es 1500. Trotzdem sagt er- »Es ist nicht ver boten, Extremist zu sein. Neonazis sind ein polizeiliches Problem, aber politisch unbedeutend.«
»Trotz aller Gewalt lassen wir uns nicht einschüchtern«, sagt Gewerkschafter Uwe Zabel. Am 1. Mai soll das bisher nur in Elmshorn aufgehängte Plakat »Keine Toleranz für Neonazis« im gesamten Kreis Pinneberg verteilt werden. Mehrere Geschäftsleitungen und Betriebsräte mittelständischer Firmen haben das Plakat unterzeichnet. Dazu alle Elmshorner Sportvereine und die meisten Schulleiter. Die Schirmherrschaft über das Bündnis hat Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek übernommen. Nur einer will dem Bündnis nicht beitreten, der Landrat des Kreises Pinneberg, Berend Harms (SPD).
Seine Begründung: »Solange ich Landrat bin, gewährleiste ich meine Unabhängigkeit auch dadurch, dass ich keinen Organisationen, Vereinen oder dergleichen beitrete.« Landrat Harms wird kritisiert, weil seine Behörde im Februar des Jahres nichts unternommen hatte, um den Nazi- Aufmarsch in Elmshorn zu verbieten: »Wir hatten keine Möglichkeit die Demo zu verbieten, weil laut Polizei keine Gefährdung vorlag«, so der Landrat. Das sieht der Hamburger Staatsrechtler Nor man Paech ganz anders: »Eine Bedrohung muss sich nicht erst in kaputten Scheiben zeigen. Die ganze hasserfüllte, rassistische Propaganda« sei gegen die Verfassung gerichtet.
Auch der Kieler Jurist und Rechtsex tremismus-Experte Alexander Hoffmann warf Harms vor, dass dessen Behörde nicht einmal recherchierte, wer hinter dem Anmelder des Nazi-Aufmarsches in Elmshorn stand: »Das ist der Hamburger Sturm«, so Hoffmann. Die Verwaltung in Göttingen hätte sich jüngst »diese Mühe gemacht« und eine rechte Demo verboten - unter anderem auch, weil der Anmelder einschlägig vorbestraft war. Zur Erinnerung: Auch der Demo-Anmelder in Elmshorn, Klemens Otto, ist einschlägig vorbestraft.
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