- Politik
- Luise Endlich: »Ostwind«, eine tieftraurige Geschichte
Reif für die (West) Insel
Gabriela Mendling, mit Autorennamen Luise Endlich, hat es nicht mehr ausgehalten, sie hat die Nase gestrichen voll vom penetrant dahinstinkenden Ostmief. Nun ist sie mit ihrem Mann, Dr. Werner Mendling, unlängst noch Chefarzt einer Klinik in Frankfurt (Oder), nach Berlin-West übergesiedelt. Für den Osten sind die Mendlings nicht geschaffen. Einst zog die Familie besten Willens von der Wupper an die Oder, um einen persönlichen Beitrag dafür zu leisten, dass auch die 40 Jahre lang Gequälten und Geknechteten endlich den Weg in die Freiheit finden. Doch die im Osten nahmen das Präsent nicht an.
Was sie erlebten, dort in Frankfurt (Oder), Oststadt genannt, war das nackte Grauen: Anfeindungen, Missgunst, dümmliche Provinzialität und latente Ausländerfeindlichkeit. Über der Stadt liegt der Odem der Stasi. Noch heute, weiß die Autorin, funktionieren Strukuren, haben finstere Seilschaften alles fest im Griff. Und undankbar ist dieser verstockte Menschenschlag: Erst wird die Stadt von der Bundeswehr vor den anschwellen Fluten gerettet, dann setzt sie die selbstlosen Helfer vor die Tür, als die ein militärisches Schauspiel abhalten wollen. Für die Mendlings wurde jeder Tag zur Tortur. Die Guten verlassen die Stadt, die Bösen bleiben. So einfach ist das Strickmuster.
Vielleicht hätten sie ja früher oder später mit der Ostwelt ihren Frieden geschlossen, hätte nicht Gabriela Mendling den inneren Drang verspürt, ein Werk der Abrechnung zu verfassen. »NeuLand« er blickte vor einem Jahr das Licht des Buchmarktes: geballte Negativ-Erfahrungen einer Westfamilie als Pfahl im Fleische der unbelehrbaren Ostler. Luise Endlich, in Gestalt ihrer Buchheldin Luise Hitzig, sah, was sie sehen wollte, fühlte sich mit jeder Regung, durch jeden schiefen Blick der Alteingesessenen bestätigt.
Und nun das Zweitwerk, »Ostwind«, das beschreibt, was nach der Veröffentlichung von »NeuLand« so alles geschah.
Das Grauen findet seine Fortsetzung. Denn dieser Osten ist und bleibt ein unheimliches Wesen. In der Klinik des Gatten kursieren gemeine Flugblätter, alte und neue Freude wenden sich ab, Fremde stehen plötzlich im Wohnzimmer, undurchsichtige Gestalten parken vor dem Haus, Journalistenhorden versetzen die Familie in permanenten Ausnahmezustand. Kleingeistige Intoleranz ist eine fürchterliche Waffe, gegen die nur schwer anzugehen ist - wo auch immer in deutschen Landen. Für Endlich-Hitzig ist es jedoch eine Spezialität des Ostens. Die Heldin des Reports hastet von Lesung zu Lesung, von Talk Show zu Talk Show, um das Wunder der Anfeindung zu erklären. »Sogar das Neue Deutschland berichtete von der Veranstaltung«, weiß die Autorin zu erzählen, sogar das Neue Deutschland. Eigentlich versteht sie diese Welt nicht, denn sie hat doch nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit geschrieben.
Hatte »NeuLand« noch den Charme des unverkrampften Erstwerks, des erstaunten Entdeckens des Bösen in der Pupille des schlitzäugigen Ostlers, so ist »Ost- Wind« nur noch ein hektisch gebrühter Aufguss.
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