- Politik
- Zum Tod des DEFA-Filmarchitekten Gerhard Helwig
Verfechter der Bildkunst
Mit Gerhard Helwig verstarb vor einigen Tagen einer der wichtigsten Filmarchitekten der DEFA. Seine bedeutendste Zeit war die der späten 50er und 60er Jahre, als auch Babelsberg darauf drängte, sich aus den Fesseln des Dialogs zu befreien und dem Bild wieder mehr Bedeutung beizumessen. Seine ästhetischen Vorbilder fand der am 6. März 1924 in Berlin Geborene im sowjetischen, polnischen und vor allem im tschechischen Kino. Gemeinsam mit Kollegen wie Hans Jörg Mirr und Alfred Hirschmeier veröffentlichte er damals eine Art Manifest des «Bildfilms», plädierte für die sorgfältige optische Vorbereitung jeder einzelnen Szene, erhob den Filmarchitekten aus dem Rang eines Interpreten in den eines «selbständig schaffenden Künstlers», der hohe Verantwortung fürs Gesamtkunstwerk Film trage.
Helwig hatte, als er dies 1962 schrieb, zum Ausbruch des DEFA-Kinos aus den Traditionen der Ufa bereits entscheidend beigetragen. Schon in seiner ersten eigenständigen Produktion «52 Wochen sind ein Jahr» (1955) - die Innenaufnahmen entstanden ausschließlich im Atelier - legte er Wert auf die Expressivität des Dekors: Der alte Bauer, der sich gegen die Kollektivierung stellt, wird in einer Szene schräg von unten aufgenommen, wobei die Decke seiner Kate ins Bild rückt und die Zuschauer, je nach Gusto, einen Sarg oder die Decke eines warmen, wenn auch armen Nestes assoziieren konnten. Sein erstes Meisterstück schuf Gerhard Helwig mit dem Szenenbild zu Konrad Wolfs «Lissy» (1957). Die Figuren sind hier deutlich durch ihr Wohn- und Ar beitsumfeld charakterisiert: Bis heute sind Spielorte wie der Tabakladen des Berliner Mädchens Lissy oder die verräucherte Kneipe im Gedächtnis, in der ihr arbeitsloser Mann zum Nazi umgepolt wird. Ger hard Helwig versuchte, mit seinen Szenenbildern Seelenlandschaften der handelnden Figuren zu entwerfen. So gelang es ihm im «Fall Gleiwitz» (1961, Regie: Gerhard Klein), die Eiseskälte der faschistischen Machtmaschinerie in entsprechend strenge, abstrakte Motive umzusetzen. Gegenstände wie ein Klingelknopf, ein Sendemast, ein Güterzug voller Kanonen oder Gitter und Lampenreihen wur den zu handlungstragenden Elementen; die Natur wurde gänzlich ausgetrieben.
Für «Das zweite Gleis» (1962) von Joachim Kunert verdichtete Helwig die Schienenstränge, elektrischen Oberleitungen und nächtlichen Schatten eines Güterbahnhofs zu Symbolen von Verstrickung und Schuld. Für Kunert stattete er dann «Die Abenteuer des Werner Holt» (1964) aus. Besonders in Erinnerung blieb eine von Granaten zerfetzte Waldlandschaft: starke Metapher für den Geisteszustand und die Gefühlsbewegungen des jugendlichen Helden am Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch «Die besten Jahre» (1965) von Günther Rücker beeindruckten durch ein genau erfasstes Dekor. So begann die Odyssee des Heimkehrers in einer schäbigen Baracke und führte über ein bürgerliches Gymnasium mit Wandelgängen und einer klassischen Bibliothek bis zu futuristisch anmutenden Industrieneubauten der Ulbricht-Zeit.
In den späteren Jahren ragten aus Helwigs CEuvre aufwendige Produktionen wie das Familiendrama «Die Toten bleiben jung» (1968) oder das Bauernkriegsspek takel «Till Eulenspiegel» (1975) heraus. Fernsehfilme wie «Kleiner Mann, was nun?» (1997). «Jeder stirbt für sich allein» (1970) oder «Bahnwärter Thiel» (1982) gewannen ihre Wirksamkeit nicht zuletzt dank seines Dekors. Daneben arbeitete er, der seit 1947 zur DEFA gehörte, auch theoretisch. Für die «Kleine Enzyklopädie Film» etwa hat er das Kapitel über Szenografie verfasst. Wichtige seiner Skizzen, so die scharf konturierten schwarzweißen Zeichnungen zum «Fall Gleiwitz», sind im Filmmuseum Potsdam aufbewahrt. Dort sollte zum Andenken an diesen großen Babelsberger Architekten eine Kabinettsausstellung vorbereitet werden.
«Laurel & Hardy». Sie sind Meister des Slapsticks: Wo San und Ollie - bei uns besser bekannt als Dick und Doof - auftauchen, vesinkt alles um sie herum im Chaos. Von 1926 bis 1952 spielten Laurel & Hardy, das erfolgreichste Komikerduo der Filmgeschichte, in 106 Filmen. ARTE zeigt vier Kurzfilme, die aufwendig restauriert wurden: «Jene fernen Berge», «Wie du mir, so ich dir», «Die Sache mit der Hose» und «Unterschlagene Noten». (Bis 22.05 Uhr)
Radio Kultur, 19.05 Uhr, Feature
«Luftlinien über die Neiße!», eine Sendung von Gesche Schmoll über die Beziehungen der Städte Görlitz am Westufer und Zgorzelec am Ostufer des deutschpolnischen Grenzflusses. Durch Kriege wurden sie auseinandergerissen, die Brücken zerstört. Doch heute gibt es zwischen ihnen nicht nur einen hässlichen Grenzübergang, sondern viele, vor allem auch kulturelle, Kontakte. (Bis 19.30 Uhr)
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