Wenn das Fahrrad neu erfunden wird
In Bremen gründeten meist um ihre Verdienste geprellte Leute einen Schutzverband Von Michael Hollmann
Eierschalensollbruchstellenverursacher, Bremsanlagen mit elektronisch gesteuerter Bremskraftver teilung, zusammenklappbare Infusionsständer - wenn es um Nützliches oder Kurioses geht, leben Erfinder auf. Problemloser sind allerdings selten Geschäftsleute. Schaufensterreden und Marketing liegen ihnen fern, und deshalb sind sie in der Regel auf kapitalkräftige Geldgeber angewiesen. Das sei eine sinnvolle Ar beitsteilung, solange der Geldgeber eine »königliche Haltung« wahrt, meint der Bremer Professor Burkhard Suthoff: »Doch Sie glauben gar nicht, wie viele Leute überrumpelt werden.«
So habe er einen Monteur getroffen, der sich ein Verfahren ausdachte, um die Motorwärme von Kraftfahrzeugen für deren Scheibenwaschanlagen zu nutzen. Der Mann sei mit dem Vorschlag zu seinem Chef gegangen, stieß dort jedoch auf taube Ohren. Wenige Monate später stellte der Erfinder erstaunt fest, dass die Fahrzeuge plötzlich mit neuen Scheibenwischanlagen vom Band rollten. Die Geschäftsführung hatte die Idee hinter seinem Rücken in die Tat umgesetzt. Auf seinen Protest hin sei der Mann »mit einer Abfindung von 500 Mark abgespeist worden«.
Mit Unterstützung der Technologie- Firma Hassouma und der Hochschule Bremen hob Suthoff Ende September den Bund Europäischer Erfinder aus der Taufe. Zu dem Gründungstreffen waren 60 Erfinder - darunter aus Frankreich, der Schweiz und Österreich - angereist. Hauptaufgabe des Vereins: Beratungsar beit in Sachen Marketing und Patentrecht. Viele Erfinder wüssten nicht einmal, wie man einen Patentantrag stellt. Sie seien zu stark auf ihre technischen Probleme fixiert, meint der Physiker Suthoff: »Die interessieren sich dafür, warum es an dem einen oder anderen Detail noch klemmt, statt sich um Formalitäten zu kümmern«.
Insgesamt müsse die Stellung des Erfinders im Gesetz verbessert werden. Denn die entscheidenden Rechte fallen immer noch dem Patentinhaber zu, der in den meisten Fällen nicht identisch mit dem Problemloser ist. Auf dem Gründungstreffen des Erfinder-Verbandes waren die ersten Früchte bereits zu bewundern: »Wir hatten einen Teilnehmer, der ein neues Fahrrad erfunden hat und einen anderen, der einen neuartigen Fahrradsattel entwickelte. Auf der Ausstellung wurde das Fahrrad gleich zusammen mit dem Sattel vorgestellt.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
