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Die beste Zeit für die Pferdekur ist der Winter

Die Insel Neuwerk ist das Herz des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer, der in diesen Wochen zehn Jahre alt geworden ist Außer 120000 Touristen pro Jahr kommen Vierbeiner als Gäste

  • Lesedauer: 4 Min.

sel besuchte, bekam er von den 35 Bewohnern nur eine Klage zu hören. »Sor gen Sie dafür, dass hier mehr Langzeit- Urlauber herkommen«, sagte Claus Fock, Betreiber des »Alten Fischerhauses«.

Zwar kommen jährlich 120000 Menschen auf die Insel. Doch die meisten fahren noch am selben Tag mit dem nächsten Schiff wieder nach Cuxhaven zurück. So versäumen sie meist, einen Blick in den Stall von Volker Griebel zu werfen. Der 47 Jährige ist unter Pferdefreunden ein Geheimtipp. Ob Luftprobleme oder Sehnenschäden: Das Watt und die friesische Luft kurierten schon so manchen kranken Gaul. »Für viele sind wir die letzte Rettung«, sagt Griebel. Mit Magnetfeld-Therapie und Verbänden mit »ungewaschener Schafswolle« macht er die Pferde wieder fit. Sein eigenes Pferd »Strandräuber« brachte Griebel auf die Idee, eine Reha- Klinik für die Huftiere aufzumachen. Der hatte völlig überdehnte Sehnen, keiner gab ihm mehr eine Chance. Aber im Watt wurde er wieder fit. Die beste Zeit für die Pferdekur ist der Winter, sagt Griebel. Da heilten Entzündungen am schnellsten wieder ab. Auch »Rennpferde brummen im Watt richtig«, freut sich Griebel. So wurde »Rambo Corner« bei ihm trainiert.

»Wir haben selten so viel zu loben«, sagt Holger Wesemüller vom WWF-Bremen nach zehn Jahren Nationalpark. »Gegenüber anderen Nationalparken in Europa kann sich der Hamburger Nationalpark durchaus sehen lassen«, sagt auch Uwe Schneider, Geschäftsführer des Vereins Jordsand. Dass die Umweltschutzverbände viel Lob zum Geburtstag des Nationalparks spenden, liegt wohl auch daran, dass Hamburg plant, ihn um gut 2000 Hektar zu erweitern und die Fischerei im Park grundsätzlich zu verbieten. Dazu trägt auch bei, dass sich Umweltsenator Porschke in Niedersachsen und Schleswig-Holstein dafür einsetzen will, gemeinsam das Wattenmeer bei der UNESCO als Weltkulturerbe vorzuschlagen. Dass Scharhörn schon 1939 unter Naturschutz gestellt wurde, ist ein Verdienst des damaligen Vereinsvorsitzenden und Insellehrers Heinrich Gechter.

Allerdings: Auch zehn Jahre nach der Ausweisung des Wattgebiets als Nationalpark mahnen Umweltschützer Defizite an. So sei die Landwirtschaft auf der Insel Neuwerk nicht in allen Teilen des besonders sensiblen Vorlands verboten. Auch gibt es immer noch alte Grabungsrechte für die Preussag AG, die im Wattenmeer nach Bodenschätzen suchen darf.

Schlimmer sind allerdings andere Beeinträchtigungen: Rund 80000 Schiffe fahren jährlich am Nationalpark vorbei. Eine Kollision wie im Oktober 1998 mit dem Holzfrachter Pallas vor Amrum hätte schlimme Auswirkungen auf das Biotop. Schon heute haben Vogelwartin Julia Baer und ihre Kollegen alle Hände voll zu tun, den Müll, der auf den Schiffen über Bord geht, wieder einzusammeln. War es früher überwiegend Stauholz, werfen die Seeleute heute viel Plastik ins Wasser. Auch die Pläne für einen niedersächsischen Tiefseehafen vor Scharhörn sind immer noch nicht vom Tisch - aber mit einem Nationalpark »unvereinbar«, so der WWF Und die Bundesregierung wird auf- Wattwagenfahrer Thomas Fischer auf dem Weg zwischen Neuwerk und Sahlenburg

Der 1310 fertiggestellte Wehrturm auf Neuwerk ist das älteste Bauwerk Hamburgs

Fotos: Franz Schanze

gefordert, das »erhebliche Störpotenzial«, das von Tieffliegern ausgeht und eine Gefahr für Vögel, Seehunde und Menschen darstellt, einzuschränken.

Ein Störpotenzial ganz anderer Art kennt Thomas Fischer. Aber es wirkt sich nur auf die Nerven des 40-Jährigen aus: Wenn er die Touristen am Festland in Sahlenburg bei Cuxhaven abholt, dann geht das Gedrängel um die besten der nur ach Plätze auf seinem Wattwagen los. Dann geht Fischer trocken, aber bestimmt dazwischen und stellt fest: »Wenn wir im Priel umfallen, ist es egal, wo du sitzt.« Das zieht meistens, um Ruhe in die Runde zu bekommen. Trotzdem sagt Fischer, der drei Jahre in Hamburg bei der Post arbeitete: »Ich hab den geilsten Job der Welt.« Vor sieben Jahren, als der Nationalpark noch in den Kinderschuhen steckte, ging er zurück auf die Insel. Seitdem fährt er Touristen durchs Watt und sammelt mit einem der wenigen motorisierten Wagen den Müll auf dem »0« ein.

Infos: Auskünfte zum Nationalpark gibt's bei der Nationalpark Verwaltung Hamburgisches Wattenmeer, Turmwurt, 27499 Insel Neuwerk, Tel. (04721) 692 71, E-Mail: nphw.neuwerk@t-online.de. Zum Vogelschutz informiert der Verein Jordsand, Turmwurt, Neuwerk, Tel. (04721) 285 94, E-Mail: info@jordsand.de.

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