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- US-Forscher behauptet: Weihnachten gehört eigentlich in den Frühling
Ist Jesus im April geboren?
Am 25. Dezember feiern Christen überall auf der Welt die Geburt ihres Erlösers. Das war nicht immer so, denn in der Bibel sucht man dieses Datum vergebens. Erst im Jahr 354‹wurde Weihnachten von Papst Liberius ins Kirchenjahr integriert. Es verdrängte das heidnische Wintersonnenfest, bei dem die alten Römer den herannahenden Sieg der Sonne über den Winter zelebrierten. Für die Christen war Jesus selbst die «Sonne der Gerechtigkeit», so datierten sie seine Geburt auf den 25. Dezember. Unklar blieb zunächst, in welchem Jahr der Messias zur Welt kam. Das errechnete im 6. Jahr hundert der armenische Mönch Dionysius Exiguus, als er im Auftrag von Papst Johannes I. eine christliche Chronologie der Menschheitsgeschichte entwarf.
Heute weiß man, dass Dionysius bei der Zählung der zahlreichen römischen Herr Schaftsperioden ein Fehler unterlaufen war. Denn das Neue Testament erzählt gelegentlich von König Herodes, der bei der Geburt von Jesus in Jerusalem regierte. Und diesen Herodes hat es wirklich gegeben, er starb im Jahr 4 v. Chr. in Jericho. Demnach konnte auch Jesus nicht später auf die Welt gekommen sein, eher ein paar Jahre früher. Aber wann genau? Bei Matthäus erfahren wir, dass in der Nacht seiner Geburt am Himmel der so genannte Stern von Bethlehem aufgegangen war. Und der strahlte so hell, dass ihn sogar drei Weise aus dem Morgenland bemerkten. Sie brachen auf, um dem künftigen König der Juden zu huldigen: «Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.»
Was hatte es mit diesem Stern auf sich?
Bis in unsere Zeit war diese Frage Anlass für wilde Spekulationen. Der britische Astronom Edmond Halley zum Beispiel hielt ihn für jenen Kometen, der heute seinen Namen trägt. Zwar wurde der Halleysche Komet damals tatsächlich beobachtet, wie Aufzeichnungen aus dem alten China belegen. Doch diese stammen bereits aus dem Jahr 12 v. Chr., und so früh dürfte Jesus nach Meinung von Historikern kaum geboren sein. Eine andere Spur verfolgte der berühmte Astronom Johannes Kepler. Für ihn kamen als Stern von Bethlehem nur zwei Ereignisse in Frage: der Ausbruch einer Supernova im Jahr 6 v. Chr. sowie eine äußerst seltene Begegnung zwischen Jupiter und Saturn, bei der sich die beiden Planeten so nahe kamen, dass sie fast zu einem Lichtpunkt verschmolzen. Babylonische Astronomen haben diese Konstellation im Jahr 7 v. Chr. mehrmals beobachtet: am 15. März, 20.
Juli und 12. November jeweils im Sternbild Fische. Das geht aus drei Tontafeln hervor, die heute im Britischen Museum in London zu bestaunen sind. Deren Existenz hat zahlreiche Historiker bis vor kur zem in der Vermutung bestärkt, dass Jesus am 12. November 7 v. Chr. das Licht der Welt erblickte.
Alles falsch, sagt jetzt der amerikanische Physiker Michael Molnar. Denn die drei Weisen aus dem Morgenland, die in der biblischen Geburtsgeschichte eine Schlüsselrolle spielen, waren keine Könige, wie der Volksglaube meint, sondern Sterndeuter. Und sie folgten keinem realen Himmelsereignis, sondern einem Horoskop, welches für den 17 April 6 v. Chr. eine außergewöhnliche Planetenkonstellation versprach. Tatsächlich standen an diesem Tag Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn in einer Reihe, und die schmale Sichel des Mondes zog im Sternbild Widder am Jupiter vorüber. Leider geschah dies gegen 8 Uhr morgens, so dass niemand das seltene Schauspiel am Himmel beobachten konnte. Folglich waren allein die Astrologen über den Sinn des Horoskops informiert, das für den 17 April die Geburt eines neuen Königs ankündigte. Damit konnte nur der König der Juden gemeint sein, denn der Widder galt als heiliges Sternbild Judäas. Also pilger ten die drei Weisen aus dem Morgenland gen Westen, obwohl der Stern von Bethlehem am östlichen Horizont erschienen war. Warum er schließlich stehenblieb, erklärt uns die Himmelsmechanik. Wegen der verschiedenen Umlaufbahnen der Planeten sieht es für einen irdischen Beobachter so aus, als zöge der Jupiter am Himmel eine Schleife und stünde dabei für einige Tage still.
Obwohl Molnars Theorie durchaus plausibel klingt, dürften sich die meisten Menschen nur schwer an den Gedanken gewöhnen, dass Jesus nicht im Dezember, sondern im April geboren wurde. Aber es sind nicht nur astronomische Gründe, die für diese Deutung sprechen. So erfahren wir aus dem Lukas-Evangelium, dass die Schafhirten damals die Nacht im Freien bei ihrer Herde verbrachten. Das hätten sie im Winter, wenn es im Bergland von Judäa empfindlich kühl wird, wohl kaum getan. Es sei denn, man begreift die biblische Erzählung von der Geburt Jesu nicht als historische Tatsache, sondern lediglich als religiöse Fabel.
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