- Politik
- Das erste deutsche U-Boot
Der «Brandtaucher»
D erzeitige Besucher des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden werden vergebens Ausschau halten nach einem einmaligen Sachzeugen deutscher Marinegeschichte. Denn zur Zeit ist der «Brandtaucher», das erste deutsche Tauchboot, dessen Konstruktionsprinzipien zur Grundlage für den späteren Bau von Unterseebooten wurden, im Kieler Schifffahrtsmuseum zu besichtigen. Zu seinem 150-jährigen Jubiläum ist der «Eiserne Seehund» dorthin heimgekehrt, wo sein kurzes Leben begann und endete: im Kieler Hafen.
Erdacht und konstruiert hatte das außergewöhnliche Schiff eine «Landratte», der technisch begabte und geschulte Drechsler Wilhelm Bauer. Der 1822 in Dillingen an der Donau Geborene gehörte als Unteroffizier des 1. bayrischen Feldartillerie-Regiments zu den Truppen des Deutschen Bundes, die die Frankfurter Nationalversammlung im Revolutionsjahr 1849 nach Norden entsandte, um Schleswig- Holstein gegen die Versuche Dänemarks beizustehen, sich beider Herzogtümer zu bemächtigen. Als bayrische und sächsische Truppen am 13. April 1849 die Düppeler Schanzen erstürmten, suchte Bauer vergeblich nach einer Möglichkeit, unbeobachtet an eine Brücke heranzukommen, um durch ihre Sprengung den dänischen Truppen den Rückzugsweg abzuschneiden. So keimte eine Idee, die ihn fortan nicht mehr loslassen sollte: ein tauchfähiges Boot, um sich «möglichst ungesehen feindlichen Brücken oder Schiffen nähern» zu können. Als die Revolution niedergeschlagen war und die deutschen Bundesstaaten das Land zwischen den Meeren im Stich ließen, trat Bauer in die schleswig-holsteinische Armee ein, im Gepäck Zeichnungen für einen «Submarineapparat», einsetzbar gegen dänische Blockadeschiffe.
Allen widrigen Umständen und finanziellen Schwierigkeiten zum Trotz, aber aus Sparsamkeitsgründen in wichtigen Details von Bauers Plänen abweichend, war der «Brandtaucher» im Dezember
1850 auf der Werft von Schweffei und Howaldt in Kiel fertiggestellt. Am 1. Februar
1851 bewies das Tauchboot vor einer Marinekommission zwar seine Seetüchtigkeit, ging aber bei seinem ersten größeren Tauchversuch an der tiefsten Stelle des Kieler Hafens auf Grund. Als Ursache der Katastrophe offenbarten sich die beim Bau des «Brandtauchers» vorgenommenen materiellen Einsparungen. Bauer und seinen mutigen Gefährten, dem Zimmer mann Witt und dem Schmied Thomsen, gelang es erst nach über sechs Stunden aufreibenden Ausharrens in 15 Meter Tiefe, sich aus dem kalten eisernen Gefängnis zu retten. Der «Brandtaucher» aber war verloren.
In der Folgezeit musste Bauer weitere herbe Enttäuschungen hinnehmen, bis ihm endlich in Russland der Durchbruch gelang. Dort baute er ein Tauchboot, mit dem er 134 erfolgreiche Tauchfahrten im Hafen von Kronstadt unternahm, bis Missgunst und Unachtsamkeit zum Ver lust des Bootes führten. Nach Deutschland zurückgekehrt, blieb dem russischen kaiserlichen Submarineingenieur im Range eines Majors jeder Erfolg versagt. Der schwer erkrankte geniale Erfinder, Vater der unterseeischen Schifffahrt, starb fast unbeachtet 1875 in München.
Und der «Brandtaucher»‹› Noch in den Stunden des Unglücks gab es vergebliche Anstrengungen, ihn zu bergen. Auch spätere Hebungsversuche scheiterten. Erst 1887 gelang die Bergung. Als marinetechnisches Denkmal zunächst aufgestellt auf dem Gelände der Kieler Werft, erhielt der «Brandtaucher» nacheinander seinen Platz im Garten der Marineakademie in Kiel und ab 1906 im neugegründeten Museum für Meereskunde in Berlin.
Bauer und sein «Brandtaucher» entgingen nicht der ideologischen Instrumentalisierung durch die faschistische Propaganda. Der im Januar 1942 in München uraufgeführte, Bauer gewidmete Bavaria- Film «Geheimakte WB 1» erhielt, als der deutsche U-Boot-Krieg als «Schlacht im Atlantik» seinem Höhepunkt entgegen trieb, das Prädikat «staatspolitisch und künstlerisch wertvoll, jugendwert»!
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde bei den Luftangriffen auf Berlin auch der «Brandtaucher» stark beschädigt. Auf Veranlassung von Wissenschaftlern der Universität Rostock und Offizieren der Seepolizei der DDR erfolgte 1950 die Überführung des Wracks nach Rostock. Es fand einen vorläufigen Platz in einem Schuppen der alten Schiffbautechnischen Fakultät der Universität. Zwischen 1963 und 1965 wurde unter Leitung des Diplomingenieurs Hans-Georg Bethge der «Brandtaucher» nach Konstruktionsunterlagen Bauers auf der Rostocker Neptunwerft gleichsam zum zweiten Male er baut. Das rekonstruierte Tauchboot kam in das erste Armeemuseum der DDR in Potsdam und 1972 in das neueröffnete, größere Armeemuseum in Dresden. Hier wechselte der «Brandtaucher» 1990 aus der Obhut der NVA in die der Bundeswehr.
Die Berliner ehrten «ihren Paul» am 5. Februar 1911 in einer der eindrucksvollsten Kundgebungen in der Geschichte der Stadt. Über eine Million - weit mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung der Hauptstadt - folgte seinem Sarg von der Lindenstraße nach Friedrichsfelde. Dieser Demokrat, Sozialist und Volkstribun war und ist Teil der Identität der alten und neuen deutschen Hauptstadt.
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