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Wenn es erst einmal Nacht wird in Eggesin

| Bundeswehr | Ist das tatsächlich sozial und einträglich, »wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren«? Von Wolfgang Rex

  • Lesedauer: 3 Min.

An einem frostigen Abend fahren ein Dutzend Feuerwehrwagen und die Autos der medizinischen Nothilfe durch Eggesin. Wenn alle ihre Sirenen anstellen, dann klingt das ein bisschen wie Fliegeralarm. Die Feuerwehrmänner aus Eggesin und den umliegenden Orten protestieren dagegen, dass die beiden Käser nen in der Stadt geschlossen werden sollen.

In der Artilleriekaserne Karpin und in der Kaserne Vorpommern sind noch 1800 Soldaten stationiert. Die Kaserne Vor pommern wird vollständig geschlossen. In die Kaserne Karpin zieht statt der 1200 Soldaten ein Facharztzentrum mit 55 Leuten ein. Eine Mitarbeiterin der Standortverwaltung hat ausgerechnet, was allein die Kaserne Karpin für Aufträge an zivile Firmen pro Jahr im Umland verteilte: -1,4 Millionen Mark für die Verpflegung der Soldaten,

- 450000 Mark für Material und Gerät,

- 635000 Mark für das Reinigen der Kasernen,

- 670000 Mark für das Entsorgen des Mülls,

-620 000 Mark für Waschen und Reinigen der Uniformen und anderer Dienstkleidung,

- 32 700 Mark für Schädlingsbekämpfung.

- Die beiden »Heimbetriebe« genannten Soldatenkneipen setzen im Jahr 700000 Mark um,

- Laut Stadtverwaltung bringt die Bundeswehr Eggesin einen Umsatz von 12 Millionen Mark pro Jahr ein.

Bürgermeister Gerhard Cantow (FDP) spricht von 83 Firmen aus Eggesin und Umgebung, die Material für die Bundeswehr besorgen und von 14 Unternehmen, die Lebensmittel liefern. Nach des Bür germeisters Rechnung fallen allein in Eggesin 2000 Arbeitsplätze weg, wenn die Bundeswehr abzieht. Derzeit liegt die Ar beitslosenquote in Eggesin mit 6600 Einwohnern bei 15,8 Prozent. »Schöngerechnet«, sagt ein Stadtvertreter der PDS. Da würden auch noch Leute in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder beim Umschulen stecken. Dabei gehört Eggesin noch zu den bevorzugten Orten im Uecker Randow-Kreis. Im ganzen Kreis stieg die Arbeitslosenquote im Januar erneut auf über 25 Prozent.

Zu DDR-Zeiten galt Eggesin für Wehr Pflichtige eher als Verbannungsort. Wer als Mot. Schütze angemustert wurde, der fühlte sich ohnehin schon auf der unter sten Stufe der zweifelhaften militärischen Rangleiter. Wer dann auch noch im selbst für DDR-Verhältnisse entlegenen und trostlosen Eggesin landete, der konnte nicht einmal in den kargen Ausgangszeiten Ausgleich für den Armeetrott finden. Angeblich sollen zu DDR-Zeiten bis zu 20000 Soldaten in den Wäldern und Sandwüsten zwischen Torgelow und Eggesin stationiert gewesen sein. Nach der Übernahme in die Bundeswehr blieben reichlich 4000 Soldaten übrig. Beide Städte, Eggesin wie Torgelow, haben sichtbar von der Bundeswehr profitiert. Oberst Wolfram Althoff sagt, in keinen der Bundeswehrstandorte sei in den vergangenen zehn Jahren derart viel investiert worden wie in Eggesin. Althoff redet von 400 Millionen Mark, die für das Sanieren der Kasernen, das Entfernen von Altlasten, den Bau von Truppenstraßen und anderes ausgegeben wurden. Andere rechnen mit 570 bis 800 Millionen Mark, die an Geldern in den Wäldern um Eggesin stecken.

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