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Dummheit und Stolz wachsen aus einem Holz

  • Lesedauer: 6 Min.

Zur so genannten Debatte um »Nationalstolz«:

Als gebürtiger Deutscher bin auch ich nicht stolz darauf Deutscher zu sein. Ich sehe es so wie unser Bundespräsident. Worauf soll man stolz sein? Ein Rückblick auf die letzten 100 Jahre gibt mir keine Antwort. Für die Ehre der Monarchen wurde gegen die Nachbarn genauso in den Krieg gezogen wie für den größenwahnsinnigen Hitler. Verwundert bin ich allerdings darüber, dass gerade von der CSU solche Sprüche kommen, die doch eher stolz darauf sind, Bayern zu sein.

Gunter Pröhl

aO74b Köln-Chorweiler

Sabine Christiansen wäre mit ihrer Sendung am Sonntag, dem 18. März, fast entartet in Deutschtümelei. Herr Teufel heiligte die gesamte deutsche Geschichte genauso wie Westerwelle. Kuhn, von den Grünen, hatte Mühe, zusammen mit Frau Renger (SPD) einigermaßen die Geschichte im Lot zu belassen. Die Leitkultur der CDU beginnt ihre Spuren zu ziehen. Der CSU-Generalsekretär Goppel verlangt inzwischen vom Bundespräsidenten, für die deutsche Geschichte in ihrer Gesamtheit einzustehen. Diese Forderungen werden zusammen mit der deutschen Leitkultur zum richtigen Zeitpunkt bei der Herausbildung Europas gestellt. Der Ost- West-Konflikt existiert nicht mehr. Man benötigt neue Machtansprüche und neue Feindbilder und dazu braucht es der eigenen deutschen Identität. Keine Angst, Bürgerrechtler der DDR, mit »für deutsche Geschichte stehen« meinen die Her ren von rechts nicht die DDR-Geschichte, wohl aber die des Dritten Reiches und der vorausgegangenen Diktaturen. Dort liegen ihre Erbhöfe. Die Konflikte, die mit der Globalisierung aufbrechen und die keine kulturellen, sondern soziale Ursachen haben, müssen verdrängt bzw. als kulturelle Konflikte artikuliert werden. Dazu braucht man eine national-deutsche Leitkultur. Damit lassen sich dann die Ängste schüren, aus denen die nationalen Ansprüche abgeleitet werden. Es ist leicht durchschaubar, wie die »Mitte-Rechts- Front« in Deutschland die Kultur als Definitionsinstrumentarium benutzt, um eine neue deutsche Identität nach altem Strickmuster zu schaffen. Wer deutsche Geschichte geatmet hat, weiß, wo das hinführt.

Horst Joachimi 34246 Vellmar

Ich bin nicht stolz, ein Deutscher zu sein! Ja, ich kann nicht die geringste Genugtuung empfinden, in diesem dumm-dreisten, habgierigen und mörderischen Land geboren zu sein. Wäre ich z. B. in Schweden geboren, hätten Großindustrie und Banken meinen Vater nicht zum Zwecke der Weltherrschaft (Globalisierung) in den Krieg gezwungen, hätten die Amerikaner nicht meinen Vater erschossen, wäre ich in einer normalen Familie aufgewachsen. Das Land hätte nicht zwei Weltkriege begonnen und nicht Millionen von eigenen Staatsbürgern, nur weil sie einer bestimmten Religion oder Partei angehör ten, ermordet und vergast. Dieses Land hätte nicht schon wieder, unbelehrbar, einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt!

Klaus Schleiff 09122 Chemnitz

Mir scheint, dass viele Menschen - aber auch Politiker - mit dem Begriff »Stolz« sehr fahrlässig umgehen, ohne zu wissen, was er eigentlich bedeutet. Das gilt aller dings auch für andere Begriffe, die in den letzten 20 Jahren ständig sinnfremde Verwendung finden, wie u. a. der Begriff »Reform«. Seit dem Amtsantritt von Helmut Kohl sind aus ehemals festen Begriffen reine Worthülsen geworden. Etymologisch stammt das Adjektiv »stolz« aus dem deutschen und niederländischen Sprachgebrauch. Es hat mehrere, sehr negative Bedeutungen aus seinem Ur sprung heraus, wie u. a. »hochmütig«, »hochgemut«, »steif aufgerichtet« sowie »stolzieren« etc. Als Gabi Zimmer in Cottbus verkündete: »Ich bin stolz auf unser Land«, bekam nicht nur ich eine Gänsehaut. Wie kann ein sozialistisch denkender Mensch stolz sein auf ein Land, dessen Landschaft ständig für die Bedürfnisse von Industrie und Wirtschaft verstümmelt und entstellt wird, wie es jetzt z.B. an der Elbe im Mühlenberger Loch und auf der Eibinsel Hanöfer Sand geschieht, um Platz für den Super-Airbus zu schaffen, dessen Politiker sich in steigendem Maße kor rumpieren lassen, um ihren Parlamentsoder Ministersessel zu behalten und dabei die Bedürfnisse der breiten Bevölkerungsmehrheit übersehen und verstärkt das soziale Netz zerstören? Nein, es gibt keinerlei Grund zum »Stolz« (Hochmut)!

Was jetzt durch die »Stolz«-Debatte deutlich wird, ist das Vakuum der nicht aufgearbeiteten deutschen Geschichte von 1918 bis 1945 und der daraus resultierende Mangel an Identifikationsmöglichkeiten Das wird insbesondere in unserer Jugend deutlich, die krampfhaft nach Vorbildern und Idealen sucht, sie aber nicht finden kann.

Die Politikerinnen, die jetzt versuchen, mit der »Stolz«-Debatte den rechtsradikalen Parteien die Wählerstimmen abzujagen, nehmen damit billigend in Kauf, dass sie und ihre Parteien ebenfalls als Rechtsaußen-Politiker und -Parteien angesehen werden. Allein von daher habe ich Verständnis für den Ausraster von Jürgen Trittin gegenüber dem CDU-Generalsekretär. Das ist aber auch schon das Einzige, wofür ich Verständnis bei Trittin habe, der ansonsten genauso opportunistisch ist wie ein Großteil des Parteivorstandes der Bündnis-Grünen.

Jörg Henry David

PDS-Kreisvorsitzender

Stadt/Buxtehude

Ein Glück, dass unser Bundespräsident den Deutschrittern vom Schlage eines Meyer, Merz, Goppel oder auch Wester welle in die Parade gefahren ist. Ich finde, dass das dem internationalen Ansehen von uns Deutschen wirklich gut tut. Es scheint, den »stolzen Deutschen« mangelt es in erschreckender Weise an den einfachsten Geschichtskenntnissen, nämlich dass die Parolen vom deutschen Stolz, in welcher Färbung auch immer, stets die Aggression gegen andere Völker einleiteten, den nötigen Freiraum schufen für Losungen wie »Jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Brit, jeder Schuss ein Russ« und schließlich zum Herrenmenschentum mit millionenfachen Mord an Angehörigen anderer Nationen führten. Oder werden diese geschichtlichen Tatsachen bewusst geleugnet?1

Eberhard Gensler Io344 Strausberg

Als Deutschland im Verbund mit der NATO am 24. März 1999 einen volker rechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien begann, habe ich mich geschämt, ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Die Politik der rot-grünen Regierung bot bis heute keinen Anlass dafür, sich von diesen Empfindungen frei zu machen. Stolz, ein Deutscher zu sein, könnte mich dagegen überkommen, wenn es mir gemeinsam mit meinen Landsleuten gelingen sollte durch persönliche und kollektive Konsequenz in der Frage von Krieg und Frieden die Regierung und die anderen etablierten Politiker dieses reichen und wirtschaftspotenten Deutschlands dazu verbindlich zu zwingen, in der Frage der Abrüstung und Entmilitarisierung der internationalen Beziehungen - unabhängig vom Segen der USA und der mächtigen Rüstungslobby in der NATO glaubwürdig und wirk sam voranzugehen.

Prof. Gregor Putensen 17489 Greifswald

»Dummheit und Stolz wachsen aus einem Holz.« Das gaben uns unsere Eltern mit auf den Lebensweg. Ist rund 60 Jahre her. Gilt noch!

Christa Schneider 04ö52 Borna

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