Ein Nazi-Ritterkreuz macht alles wieder gut
Liebe zum Blech, eine deutsch-deutsche Ordensgeschichte Vier SPD-Pohtiker; drei Ausflüchte, zwei Sichten - ein Skandal Traditionsverständnis
Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 verteilte Hitler wieder »Dekoratives für den Hals« 7313 seiner Soldaten, darunter 459 SS-Leute, erhielten den Blutorden. »Es ist schlichtweg unglaublich, dass im 21. Jahrhundert Soldaten der faschistischen Wehrmacht als Ehrenmänner mit allen Rechten anerkannt werden, während Soldaten der DDR-Armee nach wie vor als Feinde eingestuft werden, unter Beschneidung ihrer Rentenund Versorgungsbezüge und unter Aberkennung früherer Dienstgrade« empört sich die PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann.
Militär lebt von Ordnung. Ordnung setzt Dienstvorschriften voraus. Eine trägt die Nummer 10/8 und regelt »Militärische Formen und Feiern der Bundeswehr«. Bis ins Grab - wie folgende nur scheinbar anachronistische Geschichte zeigt.
Es begab sich in Sachsen vor Jahresfrist. Jemand wollte von Verteidigungsminister Rudolf Scharping wissen, ob er trotz der Kriegswichtigkeit seiner Truppe ein paar Soldaten erübrigen könne, um einen Militär ins Grab zu tragen. Im Namen seines Herren dankte und antwortete mit freundlichen Grüßen ein ministerieller Herr »Sowieso«. Er berief sich auf die ZDv 10/8. »Danach kann auf Wunsch oder Antrag der nächsten Angehörigen oder einer durch letztwillige Ver fügung bestimmten Person nach Prüfung und Genehmigung durch den jeweiligen Befehlshaber im Wehrbereich ein Kranz durch eine Abordnung niedergelegt wer den, wenn der Verstorbene ehemaliger Berufssoldat der Bundeswehr, der Wehr macht, der Reichswehr oder der Armeen und Marinen des Kaiserreiches war.«
Da vor allem die »Kaiserlichen« mangels Standfestigkeit derzeit kaum noch Rekrutenbegleitung brauchen, dachte sich jemand im Raum Chemnitz, dass die Bundeswehr vielleicht geneigt sein könnte, die 1990 der Armee der Einheit zugeteilten Kameraden... Doch von wegen - eher wird ein Atheist zu Papst gewählt! Denn da gibt es, so schrieb der ministerielle Herr »Sowieso«, einen Einigungsvertrag mit der »Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 2 § 4 Abs. I.« Danach sind diese NVAler allenfalls »Gediente in fremden Streitkräften« ohne i. R. oder a. D Ganz egal wie sich die einstigen Feinde heute untereinander betiteln mögen.
Doch jede Dienstvorschrift hat ihre Ausnahmen von der Regel. Der Mann, der in Scharpings Auftrag schrieb, verkündet. »In Sonderfällen, z.B. bei ehemaligen Berufssoldaten der NVA, die Inhaber/Träger von Tapferkeitsauszeichnungen des 2. Weltkriegs vom >Ritterkreuz an aufwärts< sind, entscheidet BMVg nach Prüfung des Einzelfalles über militärische Ehren.«
Man reibt sich die Augen und traut seinen Sehorganen dennoch nicht! Klartext. Wenn jemand eine Halskrause für per fekten Völkermord trägt, dann wird ihm möglicherweise das verziehen, was er in einer Armee des Friedens »verbrochen« hat. Man kann ja zur Nationalen Volksar mee der DDR stehen wie man will, unbestreitbar ist, dass sie niemals Tod über andere Völker gebracht hat. Was man von der Bundeswehr nicht behaupten kann.
In Potsdam lebt Horst Nörenberg. Der war einst Oberst bei der NVA, weil er dem Frieden einen Dienst tun wollte. Heute ist er beim Bundeswehrverband angestellt und möchte sich - wie sein Arbeitgeber übrigens auch - nicht vorstellen, dass man die »Ossi-Soldaten-Schuld« nur per Nazi- Ritterkreuz abtragen kann. Er schrieb zunächst an den von der SPD gestellten Herrn Bundespräsidenten. Johannes Raus Briefbeantworter sah zwar, dass »der in seiner Art einmalige Vorgang der Zusammenführung zweier Armeen aus politisch unterschiedlichen Lagern...eine Fülle von Problemen aufgeworfen (hat), doch habe sein Chef «gegenüber der Bundesregierung und dem Bundesministerium der Verteidigung keinerlei Aufsichtsoder Weisungsrecht». Recht hatte der Briefbeantworter mit dem Satz, dass diese Anmerkungen den Ex-Oberst aus fremden Streitkräften Nörenberg «kaum zufrieden stellen» werden.
Der schrieb an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, gleichfalls SPD Dessen persönlicher Referent drehte geistige Pirouetten wie ein Eintänzer weiland in «Clärchens Ballhaus», das Thierse als alter Berliner vielleicht kennt. Immerhin gab er das Schreiben an eine SPD-Ar beitsgruppe weiter, die sich jedoch an den Einheitsvertrag Anlage I Kapitel XIX...na und so weiter.
Noch immer gab sich der Ex-Oberst nicht geschlagen. Er wollte die Doppelmoral nicht einsehen, mit der die Bundesrepublik von der «fremden Streitmacht» NVA Technik, Ausrüstung, Grundstücke und Anlagen mit einem Gesamtwert von etwa 200 Milliarden D-Mark übernahm, die Soldaten jedoch moralisch schlimmer als Kriegsgefangene behandelt. Um die Sache abzukürzen. Auch Kanzler Gerhard Schröder, ein Parteifreund der Herren Scharping, Rau und Thierse beauftragte eine seiner Damen, die Antwort 231-K 403 204/01/0002/3 zu verfassen. Es bleibt alles, wie es ist. «Auch der rechtliche Bestand der geltenden Regelungen ist nach mehrfacher Überprüfung auf Grund zahlreicher Eingaben, Petitionen und parlamentarischen Anfragen außer Zweifel.»
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