83,6 Prozent: Gabriel bleibt SPD-Chef

Alter und neuer Vorsitzender nennt Ausschließeritis »Legende der Linken« / Kraft warnt Basis vor zu hohen Erwartungen / Juso-Chef: Bauchgefühl gegen Große Koalition

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Leipzig. Sigmar Gabriel bleibt Vorsitzender der SPD. Die Delegierten des Bundesparteitags in Leipzig bestätigten ihn am Donnerstag mit 83,6 Prozent für weitere zwei Jahre im Amt. Das war sein bisher klar schlechtestes Ergebnis. Bei seinen vorherigen Wahlen hatte Gabriel 94,2 Prozent (2009) und 91,6 Prozent (2011) Zustimmung bekommen. Auf Gabriel entfielen 478 Ja- und 76 Nein-Stimmen. Gabriel sprach von einem »außerordentlich ehrlichen Ergebnis«. Der 54-Jährige führt die Partei seit vier Jahren.

Zuvor hatte Gabriel die Offenheit seiner Partei für ein Bündnis mit der Linkspartei ab 2017 bekräftigt – dies aber auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Leipzig zugleich mit deutlicher Kritik verbunden. Dass es jetzt noch kein Bündnis mit der Linkspartei geben könne, liege nicht an einer »Ausschließeritis« der SPD, sagte er am Donnerstag vor den rund 600 Delegierten. Das sei eine Legende der Linken. Die Absage an Rot-Rot-Grün vor der diesjährigen Bundestagswahl habe daran gelegen, dass die Linkspartei sich »inhaltlich so verrückt aufgestellt hatte, dass kein Sozialdemokrat in nüchternem Zustand auf die Idee kommen konnte, mit ihnen zu regieren«.

Gabriel sagte, es gehe künftig darum, neue gesellschaftliche Reformbündnisse zu schließen, »auch mit der Linkspartei«, sagte Gabriel am Donnerstag in seiner Rede vor dem SPD-Bundesparteitag. Zugleich warnte er die Delegierten: »Macht euch keine Illusionen.« Der Schlüssel für Rot-Rot-Grün liege jetzt nicht bei der SPD, sondern bei der Linken.

Der Parteitag soll am Donnerstagabend über einen Leitantrag abstimmen, in dem die Öffnung für künftige Bündnisse auch mit der Linkspartei festgeschrieben ist. »Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus«, heißt es in dem Antragstext. Zugleich formuliert die SPD drei Voraussetzungen dafür: Eine »stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit«, einen »verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag« und eine »verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen«.

Derweil hat der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt seiner Partei von einer Großen Koalition mit der Union abgeraten. In der Aussprache über das schlechte Wahlergebnis der SPD sagte er in Leipzig: »Wenn ich mir die Stimmung hier anschaue, muss ich sagen: An diesem Bauchgefühl hat sich nicht viel geändert.« Es sei nicht Aufgabe der SPD, Mehrheitsbeschaffer für Kanzlerin Angela Merkel zu sein. »Lasst uns am Ende ehrlich entscheiden, reicht das aus oder nicht«, sagte das Vorstandsmitglied mit Blick auf das geplante Votum der 473.000 Mitglieder über eine große Koalition.

Dagegen verteidigte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Es gehe den Sozialdemokraten darum, Verbesserungen für die Menschen zu erreichen. »Die Inhalte sind wichtig. Messt uns am Ende an den Inhalten«. Sie verwahrte sich gegen den Verdacht, die SPD verhandele »nur für Posten und Pöstchen«.

Nur wenn zum Schluss die Inhalte stimmten, werde sie zu einer großen Koalition sagen: »Lasst es uns machen.« Wenn man regiere, ließen sich Verbesserungen erreichen, etwa für für Niedriglöhner und Leiharbeiter, sagte sie. Auch der Doppelpass für Menschen mit ausländischen Wurzeln gehört nach Ansicht der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin dazu. Sie warnte die SPD-Mitglieder aber davor, die Erwartungen zu hoch zu setzen. »75 Prozent der Wähler haben nicht uns gewählt«. Da könnten SPD-Ziele auch nicht eins zu eins umgesetzt werden.

Der Leiter der Berliner Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat die geplante Öffnung der Bundes-SPD für Bündnisse mit der Linkspartei kritisiert. »Ich bin geschockt, wie leichtfertig führende SPD-Politiker die Linkspartei plötzlich für salonfähig erklären«, sagte Knabe. Die Linkspartei habe sich bis heute nicht klar von der DDR distanziert, sondern verkläre sie als Staat mit sozialen Errungenschaften. Ihm sei nicht erklärlich, wie mit vergangenheitsbelasteten Links-Politikern eine Koalition gebildet werden solle. Agenturen/nd

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