Filmerlaubnis für Weiße Mäuse

Opposition in Sachsen-Anhalt zieht gegen Polizeigesetz vor Verfassungsgericht

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit April gilt in Sachsen-Anhalt ein schärferes Polizeigesetz, gegen das jetzt LINKE und Grüne beim Verfassungsgericht Klage einreichten.

Wer in Sachsen-Anhalt in eine Verkehrskontrolle gerät, muss seit April damit rechnen, unfreiwillig zum Statisten in einem Polizeivideo zu werden: Ein Passus im damals in Kraft getretenen neuen Polizeigesetz erlaubt es den Beamten, Filmaufnahmen anzufertigen. Immerhin müssen sie, wie die Koalition aus CDU und SPD noch kurz vor Verabschiedung der Novelle im Landtag im Februar entschied, vorab angekündigt werden. Mit der Verfassung vereinbar, sagt die Opposition, sei die Filmerlaubnis für die »weißen Mäuse« von der Verkehrspolizei dennoch nicht.

Seit dieser Woche liegt deshalb ein so genannter Normenkontrollantrag, den 37 Abgeordnete von LINKE und Grünen unterschrieben haben, beim Verfassungsgerichtshof des Landes in Dessau-Roßlau. Auf 59 Seiten listen die Kläger auf, warum und mit welcher Paragrafen das neue Gesetz gegen die Verfassung verstoße. Der Tenor sei eindeutig: Das Gesetz, sagten gestern die Innenpolitiker Henriette Quade von der LINKEN und Sebastian Striegel von den Grünen, schenke »den Freiheitsrechten der Bürger keine Beachtung«.

Ein Beispiel dafür sind Zwangstests auf ansteckende Krankheiten, die auch gegen den Willen der Betroffenen angeordnet werden dürfen. So sollen Polizisten und Sanitäter vor einer Ansteckung geschützt werden. Zunächst war im Gesetzestext explizit von HIV und Hepatitis die Rede. Die Passage war bundesweit in die Kritik geraten; Verbände von Homosexuellen hatten Diskriminierung befürchtet, auch das Robert-Koch-Institut intervenierte. Nun werden keine konkreten Erkrankungen mehr aufgeführt - möglich geworden sind die Zwangstests trotzdem.

Für höchst bedenklich halten Oppositionspolitiker zudem die den Polizeibehörden eingeräumte Möglichkeit, Mobilfunknetze befristet abzuschalten. Kritiker befürchten, davon könne etwa bei Demonstrationen Gebrauch gemacht werden. Zwar beteuerten Vertreter der Koalition, es gehe nicht um eine Beschneidung der Versammlungsfreiheit. Striegel hatte unter Hinweis auf höchst allgemein beschriebene Gefahrenlagen freilich kritisiert, dem Missbrauch werde »Tür und Tor« geöffnet. Anstoß nimmt die Opposition zudem an einer jetzt möglichen Onlinedurchsuchung privater Computer und Handys. Im Verlauf der juristischen Prüfung entschlossen sich die Experten von LINKE und Grünen zudem, auch gegen einen Paragrafen vorzugehen, der es erlaubt, Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen zu verhängen. Auf die Klausel hatten vor allem einige Kommunen gedrängt.

LINKE und Grüne hatten bereits im Landtag erklärt, für die Verschärfung des Gesetzes gebe es »keine Notwendigkeit«. Außerdem werde damit eine ganze Reihe von Grundrechten verletzt: auf Versammlungsfreiheit, auf körperliche Unversehrtheit, auf den Schutz personenbezogener Daten bis hin zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Quade und Striegel erinnerten daran, dass auch in einer Anhörung schwere juristische Bedenken geäußert worden waren. Die Koalition ging darauf aber kaum ein.

Damit ist nach Ansicht der Opposition nun ein Schritt fällig, von dem bisher in Sachsen-Anhalt höchst selten Gebrauch gemacht worden war. Zwar hatte das Verfassungsgericht in jüngster Zeit schon ein Thema aus dem Landtag auf dem Tisch: Es solle darüber befinden, ob Abgeordnetenfragen ausführlich genug beantwortet worden waren. Klagen wie die jetzige aber sind in dem Bundesland eine Ausnahme; die letzten liegen lange zurück: Die damals oppositionelle FDP hatte 2008 geklagt, weil sie bei der Gemeindereform stärker beteiligt werden wollte - ohne Erfolg. Vor sieben Jahren hatte die damalige PDS wegen eines Details beim Haushaltsrecht geklagt und gewonnen. Der jetzt eingereichte Antrag, hieß es gestern in Magdeburg, sei »in Gegenstand und Form ein Novum«. Ob er auch Erfolg hat - diese Frage kann womöglich erst in einem Jahr beantwortet werden. So lange könnte es dauern, bis die Richter in Dessau-Roßlau entscheiden.

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