Heilige und Hunde

Russische Filmwoche startet

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn man Kostjas linkes Profil anschaut, könnte man meinen, er habe ein Akneproblem. Erblickt man sein Gesicht jedoch ganz, wird klar, was die Narben bedeuten und warum der junge Mann stets mit tief in die Stirn gezogenem Baseball-Cap und Kapuze nach draußen geht: Kostja hat als Soldat im Tschetschenien-Krieg erhebliche Verbrennungen im Gesicht erlitten. In Dmitrij Tjurins Drama »Durst« kapselt er sich von seiner Umwelt ab - außer von seinen beiden besten Kumpels aus Schul- und Kriegstagen.

Helden und Antihelden, tragikomische Gestalten oder ganz normale Menschen, die über sich hinauswachsen, stehen im Zentrum der 16 neuen Filmproduktionen der 9. Russischen Filmwoche Berlin. Dabei ist die Balance zwischen Kommerz und Kunst ausgewogen, werden russische Großproduktionen sowie nachdenklichere oder verspieltere Formate präsentiert.

In »Durst« geht es nicht nur um Scham und Nostalgie, sondern auch um eine vorsichtige Öffnung des Helden sowie um eine Bestandsaufnahme des Lebens junger traumatisierter und untätiger Männer. Rückblenden in leuchtenden Farben erzählen von Kostjas Kindheit, von seinem gütigen Schuldirektor, der ihn zum Zeichnen ermunterte, und seinem strengen Vater (dargestellt von dem wunderbaren Alexej Guskow). Wie so viele heutige russische Filme offenbart auch dieses Drama eine zweigeteilte Gesellschaft: schicke Einkaufszentren und Luxuswohnungen hier, prekäre Verhältnisse und Resignation dort. Dennoch gibt dieser nachdenkliche, berührende Film seinen Helden nicht auf. Am Ende winkt leise Hoffnung.

Ziemlich unsubtil geht es dagegen in dem Katastrophenfilm »Metro - Im Netz des Todes« von Anton Megerditschew zu. Hier wird die Moskauer U-Bahn überflutet, und dass sich der Ehemann und der Liebhaber derselben Frau in dem mörderischen unterirdischen Labyrinth einen Hahnenkampf liefern, reiht sich ein in die zahlreichen Unwahrscheinlichkeiten des Films. Der Blockbuster schielt in seiner Machart eindeutig auf Hollywood, reduziert die allgemeine Katastrophe auf das Private und moralisiert auf dieselbe puritanische Art wie seine kalifornischen Vorbilder. Wer sich davon nicht schrecken lässt und auf bombastisches Popcorn-Kino steht, sollte den erlesen fotografierten Kassenknüller mit russischer Star-Power nicht missen.

Sehr viel ambivalenter kommt indes der Eröffnungsfilm »Der Geograf, der den Globus austrank«, Gewinner des diesjährigen Cottbus-Festivals, daher. Ist der Geografielehrer Viktor in der gottverlassenen russischen Stadt Perm nun ein Narr, ein Heiliger, ein ganz gerissener Hund oder nur ein melancholischer Säufer? Und wie steht es um seine lauten, undisziplinierten, aber irgendwie auch liebenswerten Schüler? Zwischen allgemeinem Nervenzusammenbruch, Aufrappeln, altklugem Philosophieren, wodkaseligen Festen und fatalistischem Humor schwanken die Helden dieses atmosphärisch sehr russischen Films. Das atemberaubende Finale in reißenden sibirischen Strömen stellt die Spannung von »Metro« zudem voll in den Schatten.

Vom 27.11. bis 4.12. im Russischen Haus und im Filmtheater am Friedrichshain, Eröffnung im Kino International www.russische-filmwoche.de

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