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Die Tiefe im Kitsch

Eine ideale Platte für den Herbst: Ein Tribute-Sampler für Manfred Krug

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Er war ein großer Soulsänger: Manfred Krug, 1973 in Berlin (Ost)
Er war ein großer Soulsänger: Manfred Krug, 1973 in Berlin (Ost)

Leben und Werk des Schauspielers Manfred Krug (1937–2016) waren in der in Sachen Popkultur schlimm unterversorgten DDR ein Quell des Lichts. Ab Mitte der 60er Jahre fabrizierte Krug als Sänger Unmengen Chansonförmiges, das Heiterkeit, Melancholie und Leichtigkeit ausströmte. In diesem Sinne ist er das Genre-Äquivalent der Punkband Schleimkeim: Musik, die unter realsozialistischen Bedingungen produziert wurde und genauso klang wie das Zeug aus dem Westen, in seinem Fall das angejazzte Popchanson. Und »Westen« heißt in diesem Fall nicht Bundesrepublik, denn dort herrschte jenseits der Nischen ebenfalls großflächig der Gammel.

Plattenbau

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Manfred Krugs Gesang und die ihn umschmeichelnde Musik klingen so schön wie die Sachen aus Paris: Chanson, Pop und Soul und Easy Listening, so nannte man das später, und das mit Texten, die immer wieder tief gehen und in der Tiefe den Kitsch finden und die Tiefe im Kitsch.

Zeitgleich mit Manfred Krugs Tagebüchern erscheint, zufälligerweise wohl, auf dem kleinen Krokant-Label ein Album mit Hommagen an bekannte und entlegenere Songs von Krug. Die auf »Das schöne Leben des Herrn K.« versammelten Künstler*innen verbindet, dass sie alle eher so semipräsent sind und etwas abseits sehr eigensinnig an ihren Sachen arbeiten. Stefanie Schrank zum Beispiel, Sängerin und Bassistin der deutschsprachigen Indiepop-Band Locas in Love, hat 2019 das sehr gute, eher unbeachtete Album »Unter der Haut eine überhitzte Fabrik« und in diesem Jahr die EP »Schlachtrufe BRD« veröffentlicht. Auf dem Krug-Tribute-Album spielt sie Krugs Song »Kalt und Weiß« von dessen Album »Ein Hauch von Frühling« von 1972.

Wenn man Krugs Original und Schranks Stück nacheinander hört, wird schön deutlich, wie fast alle Künstler*innen an die Musik Krugs herangehen. Nämlich in Form einer Aneignung des Stücks und Übertragung in den eigenen Soundkosmos und damit auch mit einer Interpretation von Manfred Krugs eigentlich dünner, aber doch fröhlich variantenreicher Stimme. Viel verändert sich, der Geist des Stücks aber bleibt erhalten. Bei Krug dominieren ein Frauenchor und aufgekratzte Streicher. Bei Stefanie Schrank wird das Stück zu einem schön entrückten Ambient-Schlager.

Überhaupt sind auf »Das schöne Leben des Herrn K.« überwiegend Künstlerinnen zu hören, die eine sehr eigene Musik entwickelt haben, die trotzdem sehr zugänglich ist, unter dem Radar der geneigten Massen aber eher durchfliegt. Zum Beispiel Resi Reiner, Masha Qrella, Lisa Who, Maike Rosa Vogel und Charlotte Brandi.

Brandi hat sich dann auch zielsicher das Stück ausgesucht, das zu ihrer eigenen Musik passt. »Niemand liebt dich so wie ich«, bei Krug ein schmissiges Duett über Eifersucht und Exklusivität, bei Brandi wird das Stück dann verlangsamt und tiefer gelegt, Sie singt ein paar Stufen weiter unten als Krug. Und das fröhliche Chanson klingt mit einem Mal vollkommen unbedingt: »All mein Leben/ All mein Lieben/ Nimm es hin«.

»Das schöne Leben des Herrn K.« ist eine wunderschöne Herbstplatte.

V. A.: »Das schöne Leben des Herrn K.« (Krokant/Indigo)

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