Hagelschauer von Einfällen

»50 Hundejahre« - Schau im Lübecker Grass-Haus

  • Lutz Gallinat, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit seinem zweiten, nach der »Blechtrommel« mit Spannung erwarteten Roman unterstrich Günter Grass 1963 seine Stellung als sprachgewaltiger Fabulierkünstler: Die »Hundejahre« wurden von Kritikern als »heißlaufende Phantastik« und kaum gebändigter »Hagelschauer von Einfällen« gewürdigt, der Stoff für mehr als einen Roman geboten hätte. Ausgehend von der Spannung zwischen Kunst und Gesellschaft widmet das Lübecker Günter Grass-Haus den »Hundejahren« jetzt eine Sonderausstellung zum fünfzigsten Jahrestag ihres Erscheinens. Die Schau mit Radierungen von Grass zu seinem Buch ist bis zum 2. Februar 2014 im Hause zu sehen.

Es ist sicherlich ungewöhnlich, dass ein Schriftsteller knapp fünfzig Jahre nach Veröffentlichung seines Romans Radierungen dazu anfertigt, erklärte Jörg-Philipp Thomsa, Leiter des Günter Grass-Hauses. »Wir freuen uns, dass wir diese ›schwarze Kunst‹, wie Grass sie nennt, in Lübeck der Öffentlichkeit erstmals vorstellen können. Mit dieser Ausstellung würdigen wir eines der wichtigsten und interessantesten Werke des Künstlers.« Kuratorin Viktoria Krason fügte hinzu: »Die ›Hundejahre‹ sind Grass' bildreichstes, lautestes und vielseitigstes Werk: Für ein ›Forum für Literatur und bildende Kunst‹ gibt es kein dankbareres Thema.«

Grass' Prosa-Collage aus episodischer Erzählung, mythischen Einsprengseln und phantastischen Visionen vertieft das bereits im Debütroman angestrebte Porträt der Freien Stadt Danzig und der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Stärker noch als in der »Blechtrommel« (1959) und in der Novelle »Katz und Maus« (1961) bilden in den »Hundejahren« die Chancen und Grenzen der Kunst angesichts einer basalen Krise humanistischer Werte den Mittelpunkt: Werke der bildenden und darstellenden Kunst determinieren die ohnehin von einprägsamen literarischen Bildern und Metaphern akzentuierte »Chronik«. Ihr fiktiver Herausgeber und zugleich die zentrale Künstlerfigur des Buches ist Eduard Amsel, ein genialischer Vogelscheuchenkonstrukteur und Ballettchoreograph.

Amsels Kunst wird in grafischen Arbeiten von Günter Grass und weiteren Projekten, die im Kontext mit dem Roman entstanden, gespiegelt: In expressiven Tuschezeichnungen, einem Hör- und Theaterspiel, einem Ballett und über einhundert Radierungen, die Grass für die aufwendig gestaltete Jubiläumsausgabe des Buches von 2013, veröffentlicht im Steidl-Verlag, kreierte. Die Bildfolge, die zentrale Elemente der Romanhandlung verdeutlicht, wird in der Lübecker Sonderausstellung zum ersten Mal vorgestellt.

Dazu werden Zeichnungen des Künstlers aus den fünfziger und sechziger Jahren gezeigt sowie Arbeiten von Harry Kramer aus dem Lübecker TheaterFigurenMuseum. Zusammen mit zahlreichen Schrift- und Bilddokumenten - unter anderem aus dem Archiv der Akademie der Künste Berlin und dem Deutschen Tanzarchiv Köln - eröffnet die Schau die ästhetische Komplexität und politische Brisanz der »Hundejahre«.

»50 Hundejahre«, Ausstellung im Günter Grass-Haus Lübeck, Glockengießerstraße 21; noch bis zum 2. Februar 2014

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -