Drohnen im Sturm

Kathrin Zinkant über das überbewertete Orkantief Xaver, die Schwierigkeiten der Klimaforschung und die Entwicklung unbemannter Flugobjekte

  • Lesedauer: 4 Min.

Gefahr ist etwas, das die Menschen nur schwer fassen können. Das wurde auch in den vergangenen Tagen deutlich, als das Sturmtief Xaver erst euphorische Begeisterung für die Meteorologie weckte und sich dann mit der nur schwer nachvollziehbaren Freude an Katastrophen-Livetickern paarte. In denen konnte ein Leser am Donnerstag zum Beispiel erfahren, dass das Kreisgymnasium Wesermünde in Bremerhaven am folgenden Tag geschlossen bleiben würde und dass all die zuvor getickerten Prognosen sich zum Glück als übertrieben herausstellten.

Am auffälligsten aber ist, dass bei all dem Geticker und Gezwitscher nur sehr wenig über den Klimawandel gesprochen wurde, was aus wissenschaftlicher Perspektive zwar nicht völlig verkehrt sein muss, aber auch nicht völlig richtig und mit Blick aufs Risikobewusstsein ein echtes Problem. Seit nämlich klar ist, dass die globale Erwärmung an der Erdoberfläche deutlich langsamer vonstatten geht als befürchtet, frohlockt die eigentlich längst gescheiterte Klimaskeptikerszene: Alles nicht der Rede wert!

Und die Forscherszene sieht sich in der schwierigen Lage, auf der einen Seite Fehlinterpretationen abwehren zu müssen, wie sie selbst Barack Obama in seiner letzten Rede zur Lage der Nation andeutete: Dass Superstürme und Waldbrände, wie sie in den USA zuletzt auftraten, die Warnzeichen des fortschreiten Klimawandels seien. Dafür gibt es aber keine wissenschaftlichen Belege. Auch Xaver ist wohl nur ein normaler, überbewerteter Herbststurm gewesen. Auf der anderen Seite gilt es zu vermitteln, dass Extremwetterereignisse und Klimawandel durchaus einen Zusammenhang haben können. Die Forschung hat ihn bloß noch nicht verstanden.

Überhaupt tut sie sich schwer mit der Kommunikation von Gefahren. Neulich im Fernsehen gab es eine Sendung über Drohnentechnologie, nach der sich der Zuschauer unweigerlich fragen musste, in welch naher Zukunft er denn beim Blick aus dem Küchenfenster oder beim Nacktsonnenbaden auf der Dachterrasse erstmals in die Augen eine Drohne gucken wird, die mitnichten im Internet bestellte Päckchen austrägt. Sondern Videos aufnimmt und damit neben den Handy- und Computerdaten womöglich unsere Ernährung oder unser Sozialverhalten ausspioniert.

Der Film verdeutlicht zwar, dass bis zu diesem befremdlichen Erlebnis noch ein paar technische Hürden zu überwinden sind - zum einen stürzen Drohnen oft ab, und zum anderen muss sie jemand steuern, und bei allem, was man so einem Geheimdienst an perfidem Eifer unterstellen kann, ist die Beschäftigung von einem Drohnenpiloten je Häuserzeile keine realistische Option. Aber der Fortschritt wird es richten: Robotiker arbeiten schon an autonomen Fluggeräten, die über räumliche Wahrnehmung und Körpergefühl verfügen und sich deshalb selbst steuern können. Auch - oder gerade - innerhalb von Gebäuden. Wobei die Autonomie in ihrem jetzigen Zustand fast noch lustig anmutet, weil die fliegenden Kabelsalate wie Volltrunkene um ihre Hindernisse herumeiern.

Einer der Entwickler solcher Fluggeräte, der Geld vom Militär für seine Arbeit erhält, sagt in der Dokumentation, er sähe es gern, wenn die Dinger für humanitäre Zwecke eingesetzt würden. Leute aus brennenden Gebäuden retten oder so. Aber bei jeder Technologie gebe es eben Leute, die sie auf eine Weise nutzen wollten, welche der Konstrukteur niemals beabsichtig habe. Also: Krieg und Verletzung der Privatsphäre. Ziele, die dieser Forscher, der seinen Lebensunterhalt aus militärischem Budget speist, offenbar für unwahrscheinlich hält oder mühelos ausblendet. Vermutlich, weil er als Kind eigentlich Feuerwehrmann werden wollte.

Bei soviel Umsicht bleibt dem Betrachter wohl wirklich nur, sich sein eigenes Bild vom Risiko zu malen, und vielleicht rührt daher die Begeisterung für Xaver: Im Sturm wird der Mensch zurückgeworfen aufs Elementare. Früher machte das den Menschen Angst. Der ehemalige Radioreporter Herbert Fricke erzählte am Donnerstag in der ARD über die Sturmflut von 1962, man habe damals gelernt, dass egal, was man baue, die »Natur doch stärker« sei. Das glauben immer noch viele. Aber heute liegt darin die falsche Hoffnung, dass die Natur den Menschen schon in die Schranken weisen wird. Und sei es, dass der Sturm seine Drohnen vom Himmel holt.

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